Fermienergie: Unterschied zwischen den Versionen

Fermienergie: Unterschied zwischen den Versionen

130.75.173.71 (Diskussion)
(Fermi-Energie trennt im Grundzustand besetzte von unbesetzten Zuständen.)
 
imported>Drahreg01
(Unschädliche Weiterleitung – bleibt.)
 
Zeile 1: Zeile 1:
{{QS-Physik|Fermienergie vs. Fermi-Niveau|Unerledigt=2014}}
#WEITERLEITUNG [[Fermi-Energie]]
Die '''Fermi-Energie''' (auch '''Fermi-Niveau''' oder '''Fermi-Potential,''' engste Umgebung '''Fermi-Kante;''' nach [[Enrico Fermi]]) ist ein [[physik]]alischer Begriff aus der [[Quantenstatistik]]. Sie gibt die ''höchste'' [[Energie]] an, die ein [[Teilchen]] in einem [[Vielteilchensystem]] [[Ununterscheidbare Teilchen|gleichartiger]] [[Fermion]]en (einem sog. [[Fermi-Gas]]) haben kann, wenn das System als Ganzes in seinem [[Grundzustand]] ist.<ref>Enrico Fermi: ''Zur Quantelung des einatomigen idealen Gases.'' In: ''Zeitschrift für Physik.'' Bd.&nbsp;36, 1926, S.&nbsp;902–912, [[DOI: 10.1007/BF01400221]].</ref>
 
Am absoluten Nullpunkt sind alle [[Zustand (Quantenmechanik)|Zustände]] zwischen dem tiefstmöglichen Niveau und der Fermi-Energie voll besetzt, darüber keiner. Dies ist eine Folge des nur bei Fermionen (z.&nbsp;B. [[Elektron]]en) geltenden Pauli-Prinzips, nach dem sich in keinem Zustand mehr als ein Teilchen befinden kann; zur näheren Begründung siehe [[Fermi-Dirac-Statistik]]. Die [[Zustand (Quantenmechanik)|Zustände]] werden also vom Zustand geringster Energie aufgefüllt. Für den Grundzustand trennt die Fermi-Energie also die besetzten von den unbesetzten Zuständen. Die Fermi-Energie wird als Energiedifferenz zum tiefstmöglichen Energieniveau angegeben.
 
Führt man dem System Energie zu, dann bezeichnet die Fermi-Energie diejenige Energie, bei der im [[Thermodynamisches Gleichgewicht|thermodynamischen Gleichgewicht]] die Besetzungs[[wahrscheinlichkeit]] gerade&nbsp;50 % beträgt, siehe [[chemisches Potential]].
 
Die Fermi-Energie macht sich z.&nbsp;B. beim [[Photoeffekt]] an [[Metall]]<nowiki/>oberflächen in Gestalt der [[Austrittsarbeit]] bemerkbar, als die Arbeit also, die einem Elektron an der Fermikante mindestens zugeführt werden muss, um es aus dem Metall herauszuschlagen.
 
== Beschreibung ==
Für die Fermi-Energie <math>E_\mathrm{F}</math> in einem Gas aus nicht-wechselwirkenden Fermionen mit Masse <math>m</math> und Energiedispersionsrelation <math>E(k)=\hbar^2 k^2 / (2m)</math> gilt
 
:<math>E_F = \frac{\hbar^2}{2m} (3{\pi}^2 n)^\frac{2}{3}</math>
 
mit
* dem reduzierten [[Plancksches Wirkungsquantum|Planckschen Wirkungsquantum]] <math>\hbar</math> (dem durch <math>2\pi</math> geteilten Planckschen Wirkungsquantum <math>h</math>),
* der Teilchenmasse <math>m,</math>
* der [[Teilchendichte]] <math>n = \frac{N}{V},</math>
** der [[Teilchenzahl]] <math>N,</math>
** dem [[Volumen]] <math>V.</math>
 
Die Fermi-Energie ist eine Folge der [[Quantenphysik]], insbesondere der Quantenstatistik. Die genaue theoretische Begründung des Begriffs setzt eine große Anzahl ''nicht''-[[Grundkräfte der Physik|wechselwirkender]] Teilchen voraus. Durch die vielfältigen Wechselwirkungen der Fermionen ist die Fermi-Energie daher streng genommen eine [[Näherungswert|Näherung]], die überall dort große Bedeutung hat, wo die Eigenschaften des Systems nicht so sehr durch die Wechselwirkung der Teilchen, sondern stärker durch die gegenseitige Ausschließung bestimmt sind.<ref>Z.&nbsp;B. wird die [[Supraleitung]] in der [[BCS-Theorie#Quantenmechanische Interpretation|BCS-Theorie]] dadurch erklärt, dass die Energie des [[Elektronengas]]es im „normalen“ Grundzustand noch abgesenkt werden kann, indem sich als Folge einer anziehenden Elektron-Elektron-Wechselwirkung, die durch das [[Kristallgitter]] vermittelt wird, unter Energiegewinn [[Cooper-Paar]]e bilden.</ref>
 
[[File: Fermi-Verteilung (Temperatur).svg | right | mini | Fermi-Verteilung<br />für verschiedene Temperaturen]]
Die Fermi-Energie spielt für die Eigenschaften eines Fermi-Gases nicht nur in seinem Grundzustand (<math>T = 0\,\mathrm{K}</math>) eine wichtige Rolle, sondern auch bei höheren Temperaturen, solange die [[thermische Energie]] <math>k_\mathrm{B} T</math> deutlich niedriger ist als die Fermi-Energie:<ref>Zuweilen wird der Begriff ''Fermi-Energie,'' anders als in diesem Artikel, nur für Systeme bei <math>T = 0\,\mathrm{K}</math> verwendet, während ''Fermi-Niveau'' auch bei <math>T > 0</math> verwendet werden kann. Diese Unterscheidung ist nicht allgemein verbreitet und wird hier nicht gemacht.</ref>
 
:<math>k_\mathrm{B} T \ll E_\mathrm{F}</math>
 
mit
* der [[Boltzmannkonstante]]n <math>k_\mathrm{B}</math> und
* der [[absolute Temperatur|absoluten Temperatur]] <math>T.</math>
Die Fermi-Kante ist dann keine absolut scharfe Begrenzung mehr, wo die [[Besetzungszahl]] der Einteilchenzustände von&nbsp;1 auf&nbsp;0 springt, sondern etwas aufgeweicht: Die Besetzungszahl fällt in einem Energiebereich von einigen <math>k_\mathrm{B} T</math> [[stetig]] von (nahezu)&nbsp;1 auf (nahezu)&nbsp;0 ab. Solche Fermi-Gase werden als ''entartet'' bezeichnet. Jedes Fermi-Gas ist entartet, wenn es nicht zu sehr verdünnt und die Temperatur nicht zu hoch ist. Die genaue Abhängigkeit der Besetzungszahl von der Energie und der Temperatur gibt die [[Fermi-Verteilung]] an.
 
Zwar stimmt es für schwach wechselwirkende fermionische Systeme nicht mehr, dass alle Zustände, die energetisch unter der Fermi-Energie liegen, besetzt sind und alle darüber unbesetzt, aber auch hier hat die Fermi-Energie noch eine große Bedeutung. Angeregte Zustände mit Energie <math>E</math> knapp ober- oder unterhalb der Fermi-Energie sind dann so langlebig, dass sie noch gut als Teilchen definiert sind (Lebensdauer <math>\tau \propto 1/[(E-E_F)^2 + (\pi k_B T)^2]</math>, man spricht dann von Quasiteilchen oder -löchern). „Gut als Teilchen definiert“ ist hier so zu verstehen, dass man diese angeregten Zustände nahe der Fermi-Kante, die keine Eigenzustände des [[Hamiltonoperator]]s mit Elektron-Elektron-Wechselwirkung sind (daher die endliche Lebensdauer), näherungsweise mit den Eigenzuständen des wechselwirkungsfreien Hamiltonoperators identifizieren kann. All dies wird beschrieben in der Fermi-Flüssigkeitstheorie.<ref>Gabriele Giuliani, Giovanni Vignale: ''Quantum Theory of the Electron Liquid.'' Cambridge University Press, 2005.</ref> Aus dieser Theorie wird deutlich, dass die Zustände mit Energien nahe der Fermikante z.&nbsp;B. für Transportphänomene wie [[Elektrische Leitfähigkeit|elektrische]] oder [[Wärmeleitfähigkeit]] essentiell sind und warum einfache Theorien, die die Elektron-Elektron-Wechselwirkung komplett vernachlässigen, wie die [[Drude-Theorie|Drude]]- und Sommerfeld-Theorie, manchmal akzeptable Ergebnisse für reale Materialien liefern (meist nur bei Materialien ohne starke Wechselwirkung oder komplizierte [[Bandstruktur]]en).
 
== Herleitung für ein einfaches Beispiel ==
Für diese Herleitung betrachtet man einen [[Festkörper]] mit einem unabhängigen [[Elektronengas]], vernachlässigt also die Elektron-Elektron-Wechselwirkung. Außerdem betrachtet man es im Grundzustand, also bei einer Temperatur von 0&nbsp;[[Kelvin]]. Als Näherung für den Festkörper nimmt man ein unendliches, periodisches Potential an und beschreibt die [[Wellenfunktion]] in einem Würfel der Kantenlänge&nbsp;L, sodass für die Wellenfunktion als [[Randbedingung]]
 
:<math>\Psi(x+L,y,z) = \Psi(x,y,z)</math> (analog für&nbsp;y und&nbsp;z)
 
gilt. Mit der [[Bloch-Funktion]] als Lösung für die stationäre [[Schrödingergleichung]] ergibt sich für die Komponenten des [[Wellenzahl]]<nowiki/>vektors als Bedingung
 
:<math>k_i = \frac{2\pi n_i}{L},</math>
 
mit [[Ganze Zahl|ganzen Zahlen]] <math>n_i</math>, wobei i für die x-, y- oder z-Komponente steht.
 
Für den Grundzustand werden die Energie-Niveaus bis zur Fermi-Energie <math>E_F</math> mit
 
:<math>E_F = \frac{\hbar^2 k_F^2}{2m}</math>
 
komplett aufgefüllt, also nach dem Pauliprinzip mit je maximal zwei Elektronen entgegengesetzten [[Spin]]s. Dabei ist <math>k_F</math> die zur [[Fermi-Fläche]] gehörende Wellenzahl.
 
Aus der Bedingung für <math>k_i</math> ergibt sich, dass in einem k-Raum-Volumen von
 
:<math>V_0 = \left( \frac{2\pi}{L} \right)^3 = \frac{(2\pi)^3}{V}</math>
 
genau ein Zustand liegt, in einer Kugel mit dem Radius <math>k_F</math> und dem Volumen <math>V_F = (4\pi/3) {k_F}^3</math> (der [[Fermi-Kugel]]) sich also <math>V_F/V_0</math> Zustände, d.&nbsp;h. doppelt so viele Elektronen befinden.
 
Wenn man diese Beziehung nach <math>k_F</math> umstellt und in die Fermi-Energie einsetzt, ergibt sich die eingangs genannte Formel
 
:<math>E_F = \frac{\hbar^2}{2m} (3{\pi}^2 n)^\frac{2}{3}.</math>
 
== Fermi-Energie im Halbleiter und Isolator ==
Die Fermi-Energie im [[Halbleiter]]/[[Nichtleiter|Isolator]] liegt etwa in der Mitte der [[Bandlücke]]. Dies resultiert aus der [[Fermi-Dirac-Statistik]]. Darin beschreibt der Parameter Fermi-Energie die Energie, bei der ein Elektronenzustand (wenn es an dieser Stelle einen gäbe) mit [[Wahrscheinlichkeit]] ½ besetzt ist (was nicht mit dem Begriff Aufenthaltswahrscheinlichkeit zu verwechseln ist, der das Absolutquadrat der Wellenfunktion eines Elektrons an einem bestimmten Ort bezeichnet).
 
Durch [[Dotierung]] kann die Fermi-Energie im Halbleiter verschoben werden:
* eine p-Dotierung verschiebt die Fermi-Energie, durch die erhöhte Anzahl an positiven Ladungsträgern (Löchern), in Richtung [[Valenzband]].
* eine n-Dotierung verschiebt die Fermi-Energie, durch die erhöhte Anzahl an negativen Ladungsträgern (de-lokalisierten Elektronen), in Richtung [[Leitungsband]].
Damit hat die Fermi-Energie einen wichtigen Einfluss auf die elektrischen Eigenschaften eines Halbleiters und ist von enormer Bedeutung beim Design [[elektrisches Bauelement|elektrischer Bauelemente]] (z.&nbsp;B. [[Transistor]]en).
 
== Beispiele ==
Die Fermi-Energie hilft in vielen Teilgebieten der Physik, Phänomene zu beschreiben, die keine klassische Deutung haben.
* Die feste [[Austrittsarbeit]] bei [[Leitungselektronen]] in einem Metall (s. [[Photoeffekt]], [[Kontaktpotenzial]], [[Elektrochemische Spannungsreihe]], [[Opferanode]]) ist gerade der Energieunterschied zwischen der Fermi-Kante und der Energie des Elektrons im Vakuum.
* Die [[spezifische Wärme]] der Metalle ist viel geringer als nach der klassischen Physik zu erwarten. Denn die [[Leitungselektronen]] darin, die man mit erwärmen muss, bilden ein entartetes Fermi-Gas, das zur Erwärmung viel weniger Energie braucht als ein normales Gas. Der Grund ist, dass es für die überaus meisten Elektronen verboten ist, Energien der Größenordnung <math>k_\mathrm{B} T\,</math> aufzunehmen, weil auf den entsprechenden höheren Niveaus kein Platz frei ist. Nur sehr wenig Elektronen (relativ zur Gesamtmenge der Elektronen) nahe der Fermi-Kante können ihre Energie um diese kleinen Beträge ändern und daher beim thermischen Gleichgewicht mitwirken. Um zu verdeutlichen, wie schmal die Fermi-Kante im Vergleich zu ihrem Abstand zur unteren Bandkante ist, wird dieser auch als ''Fermi-Temperatur'' ausgedrückt. Für die meisten Metalle liegt <math>T_\mathrm{F} = E_\mathrm{F}/k_\mathrm{B}</math> weit über ihrem Schmelzpunkt.
* Die [[elektrische Leitfähigkeit]] von [[Metall]]en ist viel größer als mit der klassischen Physik zu verstehen, denn die meisten Elektronen tragen weder zum Stromtransport bei (weil sie paarweise in entgegengesetzte Richtungen fliegen) noch stehen sie als Stoßpartner für die den Strom tragenden Elektronen nahe der Kante zur Verfügung (denn es fehlen unbesetzte Zustände, in die gestreut werden könnte). Zudem vermindert die hohe Geschwindigkeit der Elektronen an der Fermi-Kante die Streuung an Gitterstörungen. Diese ''Fermi-Geschwindigkeit'' <math>v_\mathrm{F} = \sqrt{\frac{2E_\mathrm{F}}{m_e}}</math> (mit der [[Elektronenmasse]] <math>m_e</math>) liegt für die meisten Metalle bei etwa einem halben Prozent der [[Lichtgeschwindigkeit]].
* Sterne vom Typ [[Weißer Zwerg]] werden durch das entartete Elektronengas bei einem gewissen Radius stabilisiert, denn bei weiter fortgesetzter Kompression würde die Fermi-Energie des Elektronengases mehr ansteigen als durch den Gewinn an [[Gravitationsdruck|Gravitationsenergie]] gedeckt wird. Dies gilt bis zur [[Chandrasekhar-Grenze]] für die Masse.
* Weiße Zwerge bzw. Kerne von Riesensternen mit größerer Masse explodieren als [[Supernova]]. Im Verlauf der fortgesetzten Kompression erreicht das Fermi-Gas der [[Proton]]en eine so hohe Fermi-Energie, dass diese sich in die (etwas schwereren) [[Neutron]]en umwandeln können. Das eröffnet die Möglichkeit zu weiterer und sogar beschleunigter Kompression, etwa bis zur Dichte der Kernmaterie.
* Die Einteilung der [[Festkörper|festen Stoffe]] nach ihrer elektrischen Leitfähigkeit in [[Nichtleiter|Isolatoren]], [[Halbleiter]] und [[Metall]]e richtet sich danach, wo das Fermi-Niveau in Bezug auf die [[Bändermodell|Energiebänder]] der Elektronen liegt. Fällt es in eine [[Bandlücke]], liegt ein Isolator (breite Bandlücke) oder ein Halbleiter (schmale Bandlücke) vor, fällt es inmitten eines Bands, handelt es sich um ein Metall.
* Die in weiten Bereichen veränderliche elektrische Leitfähigkeit von [[Halbleiter]]n (also die technische Grundlage der elektronischen Bauteile) wird weitestgehend davon bestimmt, wo die Fermi-Energie in der Bandlücke genau liegt: bei einem intrinsischen Halbleiter in der Mitte, bei einem p-Leiter dicht am unteren Rand, bei einem n-Leiter am oberen.
* Können zwei Systeme Teilchen austauschen, gleichen sich außer ihren Temperaturen auch ihre Fermi-Energien an. So entsteht z.&nbsp;B. im Kontakt eines p-Halbleiters mit einem n-Halbleiter eine Diode.
* Die chemische Reaktion in einem Gemisch verschiedener Stoffe wird allgemein dadurch bestimmt, dass sie zur Angleichung der [[chemisches Potential|chemischen Potentiale]] aller Stoffe führt. Für einen Stoff, dessen Teilchen Fermionen sind, ist das chemische Potential daher durch das Fermi-Niveau gegeben.
 
== Nachweise ==
<references />
 
[[Kategorie:Festkörperphysik]]
[[Kategorie:Enrico Fermi]]

Aktuelle Version vom 8. Juli 2018, 18:13 Uhr

Weiterleitung nach:

  • Fermi-Energie

Die News der letzten Tage