Farbladung: Unterschied zwischen den Versionen

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In der [[Teilchenphysik]] bezeichnet '''Farbladung''' jene [[Physik|physikalische]] Eigenschaft der [[Elementarteilchen]] [[Quark (Physik)|Quarks]] und [[Gluon]]en, die charakteristisch für die [[Starke Wechselwirkung]] ist.<ref>Contemporary Physics Education Project: [http://pdg.web.cern.ch/pdg/cpep/color.html Color Charge and Confinement] (englisch), „The Particle Adventure“ (1996), [http://pdg.web.cern.ch/pdg/pdg.html Particle Data Group] (englisch).</ref> Zu dieser starken Kraft (''Farbkraft'') gibt es drei verschiedene [[Ladung (Physik)|Ladungen]], die sich zusammen zur Ladung Null addieren. In [[Analogie (Sprachwissenschaft)|Analogie]] zur [[Additive Farbmischung|additiven Farbmischung]] nennt man sie ''rot'', ''grün'' und ''blau'' und die Farbladungen der zugehörigen [[Antiteilchen]] ''antirot'', ''antigrün'' und ''antiblau'', auch als ''cyan'', ''magenta'' und ''yellow'' bezeichnet.
[[Datei:Synthese+.svg|mini|Konzeptfarben für die Farbladung: rot, grün, blau / cyan, magenta, gelb]]
Die '''Farbladung''', kurz auch '''Farbe''', eines [[Teilchen (Physik)|Teilchens]] ist in der [[Elementarteilchenphysik]] eine Größe, die in der [[Quantenchromodynamik]] beschreibt, wie sich das Teilchen unter der [[Starke Wechselwirkung|starken Wechselwirkung]] verhält. Alle stark wechselwirkenden Teilchen haben Farbe; diese sind im [[Standardmodell]] der Teilchenphysik die [[Quark (Physik)|Quarks]] und die [[Gluon]]en. Alle anderen Elementarteilchen sind farblos. Physikalisch gesprochen befinden sich die Quarks und Gluonen in einer nichttrivialen [[Darstellung (Gruppe)|Darstellung]] der [[Symmetrie (Physik)|Symmetriegruppe]] der Quantenchromodynamik, die anderen Elementarteilchen in der trivialen. Das Konzept wurde 1964 von [[Oscar Wallace Greenberg]]<ref>{{Literatur|Autor= Oscar W. Greenberg|Titel= Spin and Unitary-Spin Independence in a Paraquark Model of Baryons and Mesons|Sammelwerk= Physical Review Letters|Band= 13|Nummer= 20|Datum= 1964|Seiten= 598–602|Sprache=en}}</ref> sowie unabhängig davon 1965 von [[Moo-Young Han]] und [[Yoichiro Nambu]]<ref>{{Literatur|Autor=Moo-Young Han und Yoichiro Nambu|Titel= Three-Triplet Model with Double SU(3) Symmetry|Sammelwerk= Physical Review|Band= 139|Nummer= 4B|Datum= 1965|Seiten= B 1006–B 1010|Sprache=en}}</ref> vorgeschlagen.


Zu beachten ist, dass die Farben der Farbladung nichts mit den [[Optik|optischen]] [[Farbe]]n von Objekten zu tun haben; die Bezeichnung „Farbe“ sowie die Verwendung der Farb''namen'' für die Ladungen sind stattdessen nur als reine Analogien zu verstehen, um die Kombination dreier qualitativ verschiedener Werte zu einem neutralen auszudrücken. Das [[Konzept]] wurde 1964 von [[Oscar Wallace Greenberg]], [[Moo-Young Han]] und [[Yoichiro Nambu]] vorgeschlagen.
Die Bezeichnung als Farbe ist ebenso irreführend wie die Bezeichnung als Ladung: Weder entspricht die Farbe der Quantenchromodynamik der optischen [[Farbe]] eines makroskopischen Objekts, noch ist die Farbladung die [[Ladung (Physik)|Ladung]] der starken Wechselwirkung. Stattdessen kann Farbe am ehesten in Analogie zum [[Spin]] eines Teilchens aufgefasst werden, bei dem ein klassisches Teilchen in der Quantenmechanik als zweikomponentige [[Wellenfunktion]] dargestellt wird: In der Beschreibung durch die Quantenchromodynamik hat die Wellenfunktion eines Quarks drei Komponenten, die mit den drei Grundfarben rot, grün und blau bezeichnet werden, die Farben eines [[Antimaterie|Antiquarks]] entsprechen den drei Antifarben (Sekundärfarben) antirot (cyan), antigrün (magenta) und antiblau (gelb). Gluonen bestehen aus einer Kombination von Farben und Antifarben und werden durch Matrizen im Farbraum beschrieben.


== Confinement und weiße Teilchen ==
Zu der Bezeichnung dieser Eigenschaft als „Farbe“ schreibt der Physik-Nobelpreisträger [[Richard P. Feynman]]:
Das Phänomen des [[Confinement]]s (engl. ''Einsperrung, Einschließung'') besagt, dass Teilchen mit Farbladung nie einzeln auftreten können, sondern stets in insgesamt ''weißen'' (farbneutralen) Teilchen gebunden sein müssen.
{{Zitat|The idiot physicists, unable to come up with any wonderful Greek words anymore, call this type of polarization by the unfortunate name of ‚color,‘ [sic!] which has nothing to do with the color in the normal sense.|Übersetzung= Diese Physiker-Idioten, unfähig sich irgendwelche wundervollen griechischen Wörter auszudenken, bezeichnen diese Art der Polarisation mit dem unglücklichen Begriff ‚Farbe,‘ [sic!] der nichts mit der Farbe im üblichen Sinn zu tun hat.|Autor=Richard P. Feynman|Quelle=QED: The Strange Theory of Light and Matter|ref=<ref>{{Literatur|Autor=Richard P. Feynman|Titel=QED: The Strange Theory of Light and Matter|Verlag=Princeton University Press|Ort= Princeton Oxford|Datum=2006|ISBN=978-0-691-12575-6}}</ref>}}


Ein weißes Teilchen kann dabei gebildet werden:
Die Analogie zwischen optischer Farbe und quantenchromodynamischer Farbe ist folgende: Ebenso wie sich die drei optischen Grundfarben zu weiß [[Additive Farbmischung|addieren]], besitzt ein Objekt, das aus Farbe und zugehöriger Antifarbe, aus drei Farben oder aus drei Antifarben zusammengesetzt ist, keine starke Ladung.  
* durch Kombination der drei Farben
* durch Kombination der drei Antifarben oder
* durch Kombination einer Farbe mit ihrer Antifarbe.
Alle drei Möglichkeiten treten tatsächlich auf. Im Falle eines [[Pentaquark]] sind auch Kombinationen der drei Fälle möglich.


Grund für das Confinement ist, dass – anders als beim [[Elektromagnetisches Feld|elektromagnetischen Feld]] – nicht nur die Quarks als auf die starke Kraft reagierende Elementarteilchen, sondern auch die [[Gluon]]en als erzeugende [[Austauschteilchen|Feldquanten]] der starken Wechselwirkung eine Farbladung tragen und sich gegenseitig anziehen, während die Feldquanten der [[Elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetischen Wechselwirkung]], die [[Photon]]en, ungeladen sind. Dadurch wird die [[Energie]], die man bräuchte, um Teilchen mit Farbladung voneinander zu trennen, so groß, dass sie zur Erzeugung von Teilchen-Antiteilchen-Paaren ausreichen würde. Diese würden die Einzelteile insgesamt wieder zu farbneutralen Objekten ergänzen. Aus diesem Grund wird man einzelne Quarks oder Gluonen nie direkt beobachten können.
== Historischer Hintergrund ==
Im Jahr 1951 wurde das [[Δ-Baryon|<math>\Delta^{++}</math>-Baryon]] entdeckt. Es besteht aus drei identischen u-Quarks, die keinen [[Bahndrehimpuls]] besitzen, sodass das Baryon räumlich symmetrisch ist und eine symmetrische Spinwellenfunktion mit Gesamt[[spin]]&nbsp;3/2 hat. Als Baryon ist das Teilchen jedoch ein [[Fermion]] und muss daher eine [[Antisymmetrische Funktion|antisymmetrische]] Gesamtwellenfunktion aufweisen. Daher war es naheliegend, einen zusätzlichen diskreten [[Freiheitsgrad]] einzuführen. Damit dieser zusätzliche Freiheitsgrad bei drei Quarks zu einem antisymmetrischen Zustand führen kann, muss dieser mindestens drei verschiedene Werte annehmen können.


Das Confinement ist auch der Grund, warum die starke Kraft so kurzreichweitig ist, obwohl die Gluonen wie die [[Photon]]en [[Masse (Physik)|masselos]] sind.
Ein weiterer Hinweis auf verborgene Freiheitsgrade der Quarks kam aus der Messung von [[Streuquerschnitt]]en an Elektron-[[Positron]]-[[Collider]]n. Beim Vergleich der Reaktionen von Elektron-Positron-Paaren zu [[Hadron]]en und zu [[Myon]]-Antimyon-Paaren erwartet man naiv in erster Ordnung, dass sich die Streuquerschnitte <math>\mathcal{BR}</math> zueinander verhalten wie die elektrischen Ladungen <math>Q</math> der beteiligten Teilchen zum Quadrat, summiert über die verschiedenen Teilchenarten bzw. [[Flavour]]s:
 
:<math>\left.\frac{\mathcal{BR}(e^+ e^- \to \text{had})}{\mathcal{BR}(e^+ e^- \to \mu^+ \mu^-)}\right|_\text{naiv} = \left( \frac{\sum_\text{flavours} Q_i^2}{e^2} \right)</math>
 
mit der [[Elementarladung]] <math>e</math>.
 
Experimentell fand man jedoch einen um einen Faktor&nbsp;3 erhöhten Wert:
 
:<math>\left.\frac{\mathcal{BR}(e^+ e^- \to \text{had})}{\mathcal{BR}(e^+ e^- \to \mu^+ \mu^-)}\right|_\text{exp} = 3\left( \frac{\sum_\text{flavours} Q_i^2}{e^2} \right)</math>
 
Das deutet darauf hin, dass Quarks einen zusätzlichen Freiheitsgrad mit drei Ausprägungen innehaben, dass es mit anderen Worten also drei verschiedene Quarks jeden Flavours gibt. Auf der anderen Seite konnte durch [[spektroskopisch]]e Messungen ausgeschlossen werden, dass sich die Massen der verschiedenen Quarks desselben Flavours unterscheiden.
 
== Mathematische Beschreibung ==
Die [[Symmetriegruppe]] der Quantenchromodynamik ist <math>SU(3)</math>. Die [[fundamentale Darstellung]] besteht aus komplexen <math>3\times 3</math>-Matrizen. Als [[Lie-Gruppe]] der [[Dimension (Mathematik)|Dimension]] <math>8</math> können die [[Darstellungsmatrix|Darstellungsmatrizen]] als [[Matrixexponential]] von Elementen einer [[Lie-Algebra]] mit acht Generatoren geschrieben werden. Diese acht Generatoren sind die [[Gell-Mann-Matrizen]] <math>\lambda^a</math>.
 
Eine [[Eichtransformation]] wirkt auf ein Fermion <math>\psi</math> vermittels
 
:<math>\psi \to \psi' = \exp\left(- \mathrm i \sum_{a = 1}^8 \theta^a \lambda^a\right) \psi</math>
 
mit acht reellen Parametern <math>\theta^a</math>. Aus Dimensionsgründen folgt, dass <math>\psi</math> entweder ein [[Triplett]] unter dieser Transformation bildet, das heißt, <math>\psi</math> ist ein dreikomponentiger Vektor, oder ein [[Singulett]], <math>\psi</math> ist ein Skalar. Das Farbsingulett besteht somit aus Teilchen, auf die die Quantenchromodynamik keine Auswirkungen hat, sie befinden sich in einer trivialen Darstellung.
 
Die acht starken Ladungen der Fermionen sind definiert via
 
:<math>\rho^a = \psi^\dagger_i \tfrac 12 \lambda^a_{ij} \psi_j</math>
 
mit den Ladungsdichten <math>\rho^a</math>. Da die Gell-Mann-Matrizen einer [[Kommutator (Mathematik)|Kommutatorrelation]] <math>[\lambda^a, \lambda^b] = 2 \mathrm i f^{abc} \lambda^c</math> mit den [[Strukturkonstante]]n <math>f^{abc}</math> der Lie-Algebra folgen, sind die Ladungen nicht [[Kommensurabilität (Quantenmechanik)|gemeinsam messbar]]. Man muss also eine maximale [[Untermenge]] kommutierender [[Observable]]n suchen. Dies sind im Fall der starken Ladungen nach Konvention die Komponenten <math>q^3</math> und <math>q^8</math>; die Matrizen <math>\lambda^3</math> und <math>\lambda^8</math> sind [[Diagonalmatrix|diagonal]]. Der gemeinsame Satz [[Eigenvektor]]en zu <math>\lambda^3</math> und <math>\lambda^8</math> sind die drei Farben
 
:<math>\begin{align}
\psi_r = \vec r \otimes \psi = \begin{pmatrix}1 \\ 0 \\ 0\end{pmatrix} \otimes \psi\\
\psi_g = \vec g \otimes \psi = \begin{pmatrix}0 \\ 1 \\ 0\end{pmatrix} \otimes \psi\\
\psi_b = \vec b \otimes \psi = \begin{pmatrix}0 \\ 0 \\ 1\end{pmatrix} \otimes \psi
\end{align}</math>
 
mit den Bezeichnungen <math>r,g,b</math> für rot, grün und blau.
 
Die starke Ladung eines roten, grünen und blauen Teilchens ist entsprechend
:<math>\begin{alignat}{2}
\vec q_r &= + \frac 12 \vec e_3 &&+ \frac{1}{2\sqrt 3} \vec e_8\\
\vec q_g &= - \frac 12 \vec e_3 &&+ \frac{1}{2\sqrt 3} \vec e_8\\
\vec q_b &=                    &&- \frac{1} {\sqrt 3} \vec e_8
\end{alignat}</math>
und eine Addition eines roten, grünen und blauen Teilchens ergibt insgesamt ein unter der starken Ladung neutrales Objekt.
 
Die [[Antiteilchen]] transformieren unter der [[Konjugierte Darstellung|konjugierten Darstellung]]; die Fabvektoren sind
 
:<math>\begin{align}
\vec c = \begin{pmatrix} 1 &0 & 0\end{pmatrix}\\
\vec m = \begin{pmatrix} 0& 1 & 0\end{pmatrix}\\
\vec y = \begin{pmatrix} 0& 0 & 1\end{pmatrix}
\end{align}</math>
 
entsprechend den Sekundärfarben <math>c,m,y</math> für [[cyan]], [[Magenta (Farbe)|magenta]] und gelb (yellow).
 
=== Beschreibung der Gluonen ===
Die Gluonen transformieren unter Eichtransformationen in der [[adjungierte Darstellung|adjungierten Darstellung]] der Symmetriegruppe. Die Darstellungsmatrizen sind die Strukturkonstanten, also <math>{f^{a}}_{bc}</math>, und die Eichtransformation lautet
 
:<math>A^{\mu a} \to A'^{\mu a} = A^{\mu a} - \frac 1g \partial^\mu \theta^a + f^{abc} \theta^b A^{\mu c} </math>,
 
woraus offensichtlich wird, dass acht an der starken Wechselwirkung teilnehmende Gluonen existieren; sie bilden ein Oktett.
 
Dargestellt werden die Gluonen im Farbraum als [[linear unabhängig]]e [[Spur (Mathematik)|spur]]<nowiki/>freie <math>3\times 3</math>-Matrizen, formal als [[Tensorprodukt]] aus einer Farbe und einer Antifarbe. Sie können so gewählt werden, dass sie (bis auf Normierung) den Gell-Mann-Matrizen entsprechen. Beispielsweise ist
 
:<math>A_{ij}^{\mu 1} = (r_i m_j + g_i c_j)/\sqrt 2 \otimes A^\mu = \lambda_{ij}^1 / \sqrt 2 \otimes A^\mu</math>
 
eine [[Superposition (Physik)|Superposition]] aus rot-magenta und grün-cyan.
 
Das „neunte“ Gluon wäre
 
:<math>A_{ij}^{\mu 9} = (r_i c_j + g_i m_j + b_i y_j)/\sqrt 3 \otimes A^\mu = I_3/\sqrt 3 \otimes A^\mu</math>
 
mit der dreidimensionalen [[Einheitsmatrix]] <math>I_3</math> und somit ein Singulett unter der <math>SU(3)</math>. Es nähme nicht an der starken Wechselwirkung teil und wäre somit ein [[steriles Teilchen]]. Versuche, das neunte Gluon als das [[Photon]] zu interpretieren, also als das [[Eichboson]] der [[Elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetischen Wechselwirkung]], scheiterten.
 
== Singuletts und Confinement ==
{{Hauptartikel|Confinement}}
Experimentell können keine [[freies Teilchen|freien]] Gluonen oder Quarks beobachtet werden; sie sind confined (engl.: ''eingesperrt''). Die Kraft, die für das Confinement verantwortlich ist, ist die [[starke Kernkraft]], die mit zunehmendem Abstand ''wächst'': Versucht man, ein Quark aus einem Hadron zu befreien, wird ein Quark-Antiquark-Paar gebildet, sodass zwei neue Hadronen entstehen. Die beobachtbaren physikalischen Objekte, die aus Gluonen oder Quarks aufgebaut sind, müssen daher [[Singulett]]s unter der <math>SU(3)</math> sein.
 
Die drei erlaubten Kombinationen, die zu Singuletts führen, sind:
 
:<math>\begin{align}
\Psi_{    \mathrm B} &= \frac{1}{\sqrt 6} \varepsilon_{abc}      \psi_a      \psi_b      \psi_c\\
\Psi_{\bar \mathrm B} &= \frac{1}{\sqrt 6} \varepsilon_{abc} \bar \psi_a \bar \psi_b \bar \psi_c \\
\Psi_\mathrm M        &= \frac{1}{\sqrt 3}                  \bar \psi_a      \psi_a
\end{align}</math>
 
mit
* dem [[Levi-Civita-Symbol]] <math>\varepsilon</math>
* einer [[baryon]]ischen, aus drei Quarks aufgebauten Wellenfunktion <math>\Psi_\mathrm B</math>
* einer [[Antiteilchen|antibaryonischen]], aus drei [[Antiquark]]s aufgebauten Wellenfunktion <math>\Psi_{\bar \mathrm B}</math>
* <math>\Psi_\mathrm M</math> eine [[meson]]ische Wellenfunktion, aufgebaut aus Quark-Antiquark-Paaren.
 
Darüber hinaus können theoretisch exotische Strukturen auftreten wie [[Tetraquark]]s, [[Pentaquark]]s oder Teilchen mit höherem Quarkinhalt, die sich aus den obigen Zuständen zusammensetzen lassen, sowie [[Glueball]]s als rein gluonische Strukturen. Auf die Existenz von Tetraquarks existieren experimentelle Hinweise am [[Forschungszentrum_Jülich#Kühlersynchrotron_COSY|COSY]]<ref>{{Literatur|Autor=WASA-at-COSY Collaboration|Titel= Evidence for a New Resonance from Polarized Neutron-Proton Scattering| Sammelwerk= Physical Review Letters|Band= 112|Seiten= 202401ff.|Datum= 2014}}</ref>, jedoch nicht auf die Existenz von Glueballs.
 
Die Struktur der <math>SU(3)</math> als nichtabelsche [[Eichtheorie]] ist auch dafür verantwortlich, dass die starke Wechselwirkung so kurzreichweitig ist, obwohl die Gluonen masselos sind wie die Photonen der [[Quantenelektrodynamik]]: Da die Gluonen als adjungierte Repräsentation der [[Eichgruppe]] selbst Farbe tragen, wechselwirken sie mit sich selbst. In der [[U(1)|<math>U(1)</math>]] der Elektrodynamik dagegen fallen triviale und adjungierte Darstellung zusammen, sodass Photonen sich ''nicht'' gegenseitig beeinflussen.
 
== Weblinks ==
*[http://www.scholarpedia.org/article/Color_charge O. W. Greenberg: Color charge], Scholarpedia
 
== Literatur ==
* {{Literatur|Autor= Ian J. R. Aitchison und Anthony J. G. Hey|Titel= Gauge Theories in Particle Physics|Auflage= 2|Verlag= Institute of Physics Publishing|Ort= Bristol|Jahr= 1989|ISBN= 0-85274-329-7|Seiten= 281–288|Sprache=en}}
* {{Literatur|Autor= Peter Becher, Manfred Böhm und Hans Joos|Titel= Eichtheorien der starken und elektroschwachen Wechselwirkung|Auflage= 2|Verlag= Vieweg+Teubner|Jahr= 1983|ISBN= 978-3519130451}}
* {{Literatur|Autor= David Griffiths|Titel= Introduction to Elementary Particle Physics|Verlag= John Wiley & Sons|Ort= New York|Jahr= 1987|ISBN= 0-471-60386-4|Sprache=en}}
* {{Literatur|Autor= Jarrett L. Lancaster|Titel= Introduction to Classical Field Theory: A Tour of the fundamental interactions|Verlag=Morgan & Claypool|Ort= San Rafael|ISBN= 978-1-64327-081-4|Seiten=4.8–4.12|Sprache=en}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Teilchenphysik]]
[[Kategorie:Teilchenphysik]]
[[Kategorie:Quantenfeldtheorie]]

Aktuelle Version vom 9. Januar 2022, 17:32 Uhr

Konzeptfarben für die Farbladung: rot, grün, blau / cyan, magenta, gelb

Die Farbladung, kurz auch Farbe, eines Teilchens ist in der Elementarteilchenphysik eine Größe, die in der Quantenchromodynamik beschreibt, wie sich das Teilchen unter der starken Wechselwirkung verhält. Alle stark wechselwirkenden Teilchen haben Farbe; diese sind im Standardmodell der Teilchenphysik die Quarks und die Gluonen. Alle anderen Elementarteilchen sind farblos. Physikalisch gesprochen befinden sich die Quarks und Gluonen in einer nichttrivialen Darstellung der Symmetriegruppe der Quantenchromodynamik, die anderen Elementarteilchen in der trivialen. Das Konzept wurde 1964 von Oscar Wallace Greenberg[1] sowie unabhängig davon 1965 von Moo-Young Han und Yoichiro Nambu[2] vorgeschlagen.

Die Bezeichnung als Farbe ist ebenso irreführend wie die Bezeichnung als Ladung: Weder entspricht die Farbe der Quantenchromodynamik der optischen Farbe eines makroskopischen Objekts, noch ist die Farbladung die Ladung der starken Wechselwirkung. Stattdessen kann Farbe am ehesten in Analogie zum Spin eines Teilchens aufgefasst werden, bei dem ein klassisches Teilchen in der Quantenmechanik als zweikomponentige Wellenfunktion dargestellt wird: In der Beschreibung durch die Quantenchromodynamik hat die Wellenfunktion eines Quarks drei Komponenten, die mit den drei Grundfarben rot, grün und blau bezeichnet werden, die Farben eines Antiquarks entsprechen den drei Antifarben (Sekundärfarben) antirot (cyan), antigrün (magenta) und antiblau (gelb). Gluonen bestehen aus einer Kombination von Farben und Antifarben und werden durch Matrizen im Farbraum beschrieben.

Zu der Bezeichnung dieser Eigenschaft als „Farbe“ schreibt der Physik-Nobelpreisträger Richard P. Feynman:

„The idiot physicists, unable to come up with any wonderful Greek words anymore, call this type of polarization by the unfortunate name of ‚color,‘ [sic!] which has nothing to do with the color in the normal sense.“

„Diese Physiker-Idioten, unfähig sich irgendwelche wundervollen griechischen Wörter auszudenken, bezeichnen diese Art der Polarisation mit dem unglücklichen Begriff ‚Farbe,‘ [sic!] der nichts mit der Farbe im üblichen Sinn zu tun hat.“

Richard P. Feynman: QED: The Strange Theory of Light and Matter[3]

Die Analogie zwischen optischer Farbe und quantenchromodynamischer Farbe ist folgende: Ebenso wie sich die drei optischen Grundfarben zu weiß addieren, besitzt ein Objekt, das aus Farbe und zugehöriger Antifarbe, aus drei Farben oder aus drei Antifarben zusammengesetzt ist, keine starke Ladung.

Historischer Hintergrund

Im Jahr 1951 wurde das $ \Delta ^{++} $-Baryon entdeckt. Es besteht aus drei identischen u-Quarks, die keinen Bahndrehimpuls besitzen, sodass das Baryon räumlich symmetrisch ist und eine symmetrische Spinwellenfunktion mit Gesamtspin 3/2 hat. Als Baryon ist das Teilchen jedoch ein Fermion und muss daher eine antisymmetrische Gesamtwellenfunktion aufweisen. Daher war es naheliegend, einen zusätzlichen diskreten Freiheitsgrad einzuführen. Damit dieser zusätzliche Freiheitsgrad bei drei Quarks zu einem antisymmetrischen Zustand führen kann, muss dieser mindestens drei verschiedene Werte annehmen können.

Ein weiterer Hinweis auf verborgene Freiheitsgrade der Quarks kam aus der Messung von Streuquerschnitten an Elektron-Positron-Collidern. Beim Vergleich der Reaktionen von Elektron-Positron-Paaren zu Hadronen und zu Myon-Antimyon-Paaren erwartet man naiv in erster Ordnung, dass sich die Streuquerschnitte $ {\mathcal {BR}} $ zueinander verhalten wie die elektrischen Ladungen $ Q $ der beteiligten Teilchen zum Quadrat, summiert über die verschiedenen Teilchenarten bzw. Flavours:

$ \left.{\frac {{\mathcal {BR}}(e^{+}e^{-}\to {\text{had}})}{{\mathcal {BR}}(e^{+}e^{-}\to \mu ^{+}\mu ^{-})}}\right|_{\text{naiv}}=\left({\frac {\sum _{\text{flavours}}Q_{i}^{2}}{e^{2}}}\right) $

mit der Elementarladung $ e $.

Experimentell fand man jedoch einen um einen Faktor 3 erhöhten Wert:

$ \left.{\frac {{\mathcal {BR}}(e^{+}e^{-}\to {\text{had}})}{{\mathcal {BR}}(e^{+}e^{-}\to \mu ^{+}\mu ^{-})}}\right|_{\text{exp}}=3\left({\frac {\sum _{\text{flavours}}Q_{i}^{2}}{e^{2}}}\right) $

Das deutet darauf hin, dass Quarks einen zusätzlichen Freiheitsgrad mit drei Ausprägungen innehaben, dass es mit anderen Worten also drei verschiedene Quarks jeden Flavours gibt. Auf der anderen Seite konnte durch spektroskopische Messungen ausgeschlossen werden, dass sich die Massen der verschiedenen Quarks desselben Flavours unterscheiden.

Mathematische Beschreibung

Die Symmetriegruppe der Quantenchromodynamik ist $ SU(3) $. Die fundamentale Darstellung besteht aus komplexen $ 3\times 3 $-Matrizen. Als Lie-Gruppe der Dimension $ 8 $ können die Darstellungsmatrizen als Matrixexponential von Elementen einer Lie-Algebra mit acht Generatoren geschrieben werden. Diese acht Generatoren sind die Gell-Mann-Matrizen $ \lambda ^{a} $.

Eine Eichtransformation wirkt auf ein Fermion $ \psi $ vermittels

$ \psi \to \psi '=\exp \left(-\mathrm {i} \sum _{a=1}^{8}\theta ^{a}\lambda ^{a}\right)\psi $

mit acht reellen Parametern $ \theta ^{a} $. Aus Dimensionsgründen folgt, dass $ \psi $ entweder ein Triplett unter dieser Transformation bildet, das heißt, $ \psi $ ist ein dreikomponentiger Vektor, oder ein Singulett, $ \psi $ ist ein Skalar. Das Farbsingulett besteht somit aus Teilchen, auf die die Quantenchromodynamik keine Auswirkungen hat, sie befinden sich in einer trivialen Darstellung.

Die acht starken Ladungen der Fermionen sind definiert via

$ \rho ^{a}=\psi _{i}^{\dagger }{\tfrac {1}{2}}\lambda _{ij}^{a}\psi _{j} $

mit den Ladungsdichten $ \rho ^{a} $. Da die Gell-Mann-Matrizen einer Kommutatorrelation $ [\lambda ^{a},\lambda ^{b}]=2\mathrm {i} f^{abc}\lambda ^{c} $ mit den Strukturkonstanten $ f^{abc} $ der Lie-Algebra folgen, sind die Ladungen nicht gemeinsam messbar. Man muss also eine maximale Untermenge kommutierender Observablen suchen. Dies sind im Fall der starken Ladungen nach Konvention die Komponenten $ q^{3} $ und $ q^{8} $; die Matrizen $ \lambda ^{3} $ und $ \lambda ^{8} $ sind diagonal. Der gemeinsame Satz Eigenvektoren zu $ \lambda ^{3} $ und $ \lambda ^{8} $ sind die drei Farben

$ {\begin{aligned}\psi _{r}={\vec {r}}\otimes \psi ={\begin{pmatrix}1\\0\\0\end{pmatrix}}\otimes \psi \\\psi _{g}={\vec {g}}\otimes \psi ={\begin{pmatrix}0\\1\\0\end{pmatrix}}\otimes \psi \\\psi _{b}={\vec {b}}\otimes \psi ={\begin{pmatrix}0\\0\\1\end{pmatrix}}\otimes \psi \end{aligned}} $

mit den Bezeichnungen $ r,g,b $ für rot, grün und blau.

Die starke Ladung eines roten, grünen und blauen Teilchens ist entsprechend

$ {\begin{alignedat}{2}{\vec {q}}_{r}&=+{\frac {1}{2}}{\vec {e}}_{3}&&+{\frac {1}{2{\sqrt {3}}}}{\vec {e}}_{8}\\{\vec {q}}_{g}&=-{\frac {1}{2}}{\vec {e}}_{3}&&+{\frac {1}{2{\sqrt {3}}}}{\vec {e}}_{8}\\{\vec {q}}_{b}&=&&-{\frac {1}{\sqrt {3}}}{\vec {e}}_{8}\end{alignedat}} $

und eine Addition eines roten, grünen und blauen Teilchens ergibt insgesamt ein unter der starken Ladung neutrales Objekt.

Die Antiteilchen transformieren unter der konjugierten Darstellung; die Fabvektoren sind

$ {\begin{aligned}{\vec {c}}={\begin{pmatrix}1&0&0\end{pmatrix}}\\{\vec {m}}={\begin{pmatrix}0&1&0\end{pmatrix}}\\{\vec {y}}={\begin{pmatrix}0&0&1\end{pmatrix}}\end{aligned}} $

entsprechend den Sekundärfarben $ c,m,y $ für cyan, magenta und gelb (yellow).

Beschreibung der Gluonen

Die Gluonen transformieren unter Eichtransformationen in der adjungierten Darstellung der Symmetriegruppe. Die Darstellungsmatrizen sind die Strukturkonstanten, also $ {f^{a}}_{bc} $, und die Eichtransformation lautet

$ A^{\mu a}\to A'^{\mu a}=A^{\mu a}-{\frac {1}{g}}\partial ^{\mu }\theta ^{a}+f^{abc}\theta ^{b}A^{\mu c} $,

woraus offensichtlich wird, dass acht an der starken Wechselwirkung teilnehmende Gluonen existieren; sie bilden ein Oktett.

Dargestellt werden die Gluonen im Farbraum als linear unabhängige spurfreie $ 3\times 3 $-Matrizen, formal als Tensorprodukt aus einer Farbe und einer Antifarbe. Sie können so gewählt werden, dass sie (bis auf Normierung) den Gell-Mann-Matrizen entsprechen. Beispielsweise ist

$ A_{ij}^{\mu 1}=(r_{i}m_{j}+g_{i}c_{j})/{\sqrt {2}}\otimes A^{\mu }=\lambda _{ij}^{1}/{\sqrt {2}}\otimes A^{\mu } $

eine Superposition aus rot-magenta und grün-cyan.

Das „neunte“ Gluon wäre

$ A_{ij}^{\mu 9}=(r_{i}c_{j}+g_{i}m_{j}+b_{i}y_{j})/{\sqrt {3}}\otimes A^{\mu }=I_{3}/{\sqrt {3}}\otimes A^{\mu } $

mit der dreidimensionalen Einheitsmatrix $ I_{3} $ und somit ein Singulett unter der $ SU(3) $. Es nähme nicht an der starken Wechselwirkung teil und wäre somit ein steriles Teilchen. Versuche, das neunte Gluon als das Photon zu interpretieren, also als das Eichboson der elektromagnetischen Wechselwirkung, scheiterten.

Singuletts und Confinement

Experimentell können keine freien Gluonen oder Quarks beobachtet werden; sie sind confined (engl.: eingesperrt). Die Kraft, die für das Confinement verantwortlich ist, ist die starke Kernkraft, die mit zunehmendem Abstand wächst: Versucht man, ein Quark aus einem Hadron zu befreien, wird ein Quark-Antiquark-Paar gebildet, sodass zwei neue Hadronen entstehen. Die beobachtbaren physikalischen Objekte, die aus Gluonen oder Quarks aufgebaut sind, müssen daher Singuletts unter der $ SU(3) $ sein.

Die drei erlaubten Kombinationen, die zu Singuletts führen, sind:

$ {\begin{aligned}\Psi _{\mathrm {B} }&={\frac {1}{\sqrt {6}}}\varepsilon _{abc}\psi _{a}\psi _{b}\psi _{c}\\\Psi _{\bar {\mathrm {B} }}&={\frac {1}{\sqrt {6}}}\varepsilon _{abc}{\bar {\psi }}_{a}{\bar {\psi }}_{b}{\bar {\psi }}_{c}\\\Psi _{\mathrm {M} }&={\frac {1}{\sqrt {3}}}{\bar {\psi }}_{a}\psi _{a}\end{aligned}} $

mit

  • dem Levi-Civita-Symbol $ \varepsilon $
  • einer baryonischen, aus drei Quarks aufgebauten Wellenfunktion $ \Psi _{\mathrm {B} } $
  • einer antibaryonischen, aus drei Antiquarks aufgebauten Wellenfunktion $ \Psi _{\bar {\mathrm {B} }} $
  • $ \Psi _{\mathrm {M} } $ eine mesonische Wellenfunktion, aufgebaut aus Quark-Antiquark-Paaren.

Darüber hinaus können theoretisch exotische Strukturen auftreten wie Tetraquarks, Pentaquarks oder Teilchen mit höherem Quarkinhalt, die sich aus den obigen Zuständen zusammensetzen lassen, sowie Glueballs als rein gluonische Strukturen. Auf die Existenz von Tetraquarks existieren experimentelle Hinweise am COSY[4], jedoch nicht auf die Existenz von Glueballs.

Die Struktur der $ SU(3) $ als nichtabelsche Eichtheorie ist auch dafür verantwortlich, dass die starke Wechselwirkung so kurzreichweitig ist, obwohl die Gluonen masselos sind wie die Photonen der Quantenelektrodynamik: Da die Gluonen als adjungierte Repräsentation der Eichgruppe selbst Farbe tragen, wechselwirken sie mit sich selbst. In der $ U(1) $ der Elektrodynamik dagegen fallen triviale und adjungierte Darstellung zusammen, sodass Photonen sich nicht gegenseitig beeinflussen.

Weblinks

Literatur

  • Peter Becher, Manfred Böhm und Hans Joos: Eichtheorien der starken und elektroschwachen Wechselwirkung. 2. Auflage. Vieweg+Teubner, 1983, ISBN 978-3-519-13045-1.

Einzelnachweise

  1. Richard P. Feynman: QED: The Strange Theory of Light and Matter. Princeton University Press, Princeton Oxford 2006, ISBN 978-0-691-12575-6.
  2. WASA-at-COSY Collaboration: Evidence for a New Resonance from Polarized Neutron-Proton Scattering. In: Physical Review Letters. Band 112, 2014, S. 202401 ff.

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