Elektroschwache Wechselwirkung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''elektroschwache Wechselwirkung''' (Abk. '''ESW''') bildet die Grundlage einer vereinheitlichten Theorie aus [[Quantenelektrodynamik]] und [[Schwache Wechselwirkung|schwacher Wechselwirkung]] im Rahmen des [[Standardmodell]]s. Sie wurde in den 1960er Jahren von den Physikern [[Sheldon Glashow]], [[Steven Weinberg]] und [[Abdus Salam]] eingeführt, um die elektromagnetische und schwache Wechselwirkung in einer Theorie zusammenzufassen. Sie erhielten dafür 1979 den [[Nobelpreis für Physik]], nachdem die Theorie in den 1970er Jahren experimentell bestätigt worden war.
Die '''elektroschwache Wechselwirkung''' bildet die Grundlage einer vereinheitlichten Theorie aus [[Quantenelektrodynamik]] und [[Schwache Wechselwirkung|schwacher Wechselwirkung]] im Rahmen des [[Standardmodell]]s. Sie wurde in den 1960er&nbsp;Jahren von den Physikern [[Sheldon Glashow]],<ref>Sheldon Glashow, ''Partial-Symmetries of Weak Interactions'', Nuclear Physics B, Band 22, 1961, S. 579</ref> [[Steven Weinberg]]<ref>Steven Weinberg, ''A model of leptons'', Phys. Rev. Lett., Band 19, 1967, S. 1264–1266</ref> und [[Abdus Salam]]<ref>Salam gibt als letzten Schritt zur elektroschwachen Theorie (gleichzeitig mit Weinberg) seinen Beitrag ''Weak and Electromagnetic Interaction'' zu N. Svartholm (Hrsg.), Elementary Particle Theory, Proc. 8th Nobel Symposium, Almqvist und Wiksell, Stockholm 1968, an. Siehe Salam, Gauge unification of fundamental forces, Reviews of Modern Physics, Band 52, 1980, S. 529</ref> eingeführt, um die [[Elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetische]] und schwache Wechselwirkung in einer Theorie zusammenzufassen. Sie erhielten dafür 1979 den [[Nobelpreis für Physik]], nachdem die Theorie in den 1970er&nbsp;Jahren experimentell bestätigt worden war.


Während in der Quantenelektrodynamik die Wechselwirkung durch Austausch eines masselosen [[Photon]]s beschrieben wird und die [[Quantenfeldtheorie|quantenfeldtheoretische]] Version der klassischen [[Elektrodynamik]] ist, erklärt die vereinheitlichte Theorie die geringe Stärke der [[Schwache Wechselwirkung|schwachen Wechselwirkung]], die zum Beispiel in der [[Neutrino]]-Physik und beim [[Betazerfall]] wirkt, damit, dass hier sehr viel schwerere Teilchen ausgetauscht werden<ref>Der Zusammenhang von Wechselwirkungsstärke und Masse des Austauschteilchens ist seit [[Hideki Yukawa]] und seiner [[Yukawa-Potential|Yukawa-Kraft]] Standard in der Teilchenphysik</ref>: Das geladene [[W-Boson]] und das neutrale [[Z-Boson]] mit Massen in der Größenordnung von <math>10^2</math> [[Vorsätze für Maßeinheiten|Giga]]-[[Elektronenvolt]] (GeV). Die elektroschwache Theorie ist außerdem ein Beispiel für eine [[Eichfeldtheorie]] mit einer Eichgruppe, die dem Produkt <math>U(1) \times SU (2)</math> entspricht, wobei <math>U(1)</math> für die eindimensionale [[unitäre Gruppe]] steht, was auch die Eichgruppenstruktur der Quantenelektrodynamik ist<ref>Die Eichgruppe U(1) ist nicht dieselbe</ref>, und <math>SU (2)</math> für die zweidimensionale [[Spezielle unitäre Gruppe]]. Der zweidimensionale Matrixcharakter ist ein Ausdruck davon, dass der Anteil der schwachen Wechselwirkung an der elektroschwachen Wechselwirkungen verschiedene Elementarteilchen ineinander umwandelt. Dagegen entspricht <math>U(1)</math> nur einem Phasenfaktor (der Multiplikation mit einer komplexen Zahl) vor der Wellenfunktion. Am einfachsten lässt sich die Wirkung der elektroschwachen Wechselwirkung durch [[Feynman-Diagramm]]e veranschaulichen. Zum Beispiel wird beim Betazerfall des Neutrons ein Proton, ein Elektron und ein Antineutrino erzeugt, was über den Austausch eines negativ geladenen W-Bosons beschrieben werden kann, das im Nukleon ein d-[[Quark (Physik)|Quark]] in ein u-Quark umwandelt und auf der anderen Seite bei den [[Lepton]]en ein Antineutrino in ein Elektron (siehe Abbildung rechts).  
Während in der Quantenelektrodynamik die Wechselwirkung durch Austausch eines masselosen [[Photon]]s beschrieben wird und die [[Quantenfeldtheorie|quantenfeldtheoretische]] Version der klassischen [[Elektrodynamik]] ist, erklärt die vereinheitlichte Theorie die geringe Reichweite der schwachen Wechselwirkung, die z.&nbsp;B. in der [[Neutrino]]-Physik und beim [[Betazerfall]] wirkt, damit, dass hier sehr viel schwerere Teilchen ausgetauscht werden: Das geladene [[W-Boson]] und das neutrale [[Z-Boson]] mit Massen in der Größenordnung von <math>10^2</math> [[Vorsätze für Maßeinheiten|Giga]]-[[Elektronenvolt]]&nbsp;(GeV).
 
Die elektroschwache Theorie ist außerdem ein Beispiel für eine [[Eichfeldtheorie]] mit einer [[Eichgruppe]], die dem Produkt <math>SU (2) \times U(1)</math> entspricht. Dabei steht <math>SU (2)</math> für die zweidimensionale [[Spezielle unitäre Gruppe]] und <math>U(1)</math> für die eindimensionale [[unitäre Gruppe]]. Der zweidimensionale Matrixcharakter ist ein Ausdruck davon, dass der Anteil der schwachen Wechselwirkung an der elektroschwachen Wechselwirkung verschiedene [[Elementarteilchen]] ineinander umwandelt. Dagegen entspricht <math>U(1)</math> nur einem Phasenfaktor (der Multiplikation mit einer [[komplexe Zahl|komplexen Zahl]]) vor der [[Wellenfunktion]].
 
Am einfachsten lässt sich die Wirkung der elektroschwachen Wechselwirkung durch [[Feynman-Diagramm]]e veranschaulichen. Zum Beispiel werden beim Betazerfall des [[Neutron]]s ein [[Proton]], ein [[Elektron]] und ein [[Antiteilchen|Anti]]<nowiki/>neutrino erzeugt. Dies kann beschrieben werden über den Austausch eines negativ geladenen W-Bosons, das im [[Nukleon]] ein d-[[Quark (Physik)|Quark]] in ein u-Quark umwandelt und auf der anderen Seite bei den [[Lepton]]en ein Antineutrino in ein Elektron (siehe Abbildung rechts).


== Physik der schwachen und elektroschwachen Wechselwirkung ==
== Physik der schwachen und elektroschwachen Wechselwirkung ==
Für die physikalische Beschreibung ist es notwendig, die [[Lepton]]en bzw. [[Quark (Physik)|Quarks]] einer Generation (oder Familie) zu einem [[Dublett]] für [[Chiralität (Physik)|links-chirale Teilchen]] und zu [[Multiplizität|Singuletts]] für [[Chiralität (Physik)|rechts-chirale Teilchen]] zusammenzufassen.<ref>[[Walter Greiner]], [[Berndt Mueller|Berndt Müller]]: ''Eichtheorie der schwachen Wechselwirkung''. 2. Auflage, Harri Deutsch, 1995, S. 184, ISBN 3-8171-1427-3</ref> Die ''elektroschwache Wechselwirkung'' wirkt auf folgende Teilchendubletts und Singuletts aus [[Fermion]]en:
Für die physikalische Beschreibung ist es notwendig, die [[Lepton]]en bzw. [[Quark (Physik)|Quarks]] einer Generation (oder Familie) zu einem [[Dublett]] für [[Chiralität (Physik)|links-chirale Teilchen]] und zu [[Multiplizität|Singuletts]] für [[Chiralität (Physik)|rechts-chirale Teilchen]] zusammenzufassen.<ref>[[Walter Greiner]], [[Berndt Mueller|Berndt Müller]]: ''Eichtheorie der schwachen Wechselwirkung''. 2. Auflage, Harri Deutsch, 1995, S. 184, ISBN 3-8171-1427-3</ref> Die ''elektroschwache Wechselwirkung'' wirkt auf folgende Teilchendubletts und Singuletts aus [[Fermion]]en:


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|+Dubletts ([[schwacher Isospin]] T=½):
|+ Dubletts ([[schwacher Isospin]] T = ½)
! colspan="3"| '''[[Lepton]]en'''
! colspan="3"| '''[[Lepton]]en'''
! [[Elektrische Ladung]] ''Q''
! [[Elektrische Ladung|Elektrische<br>Ladung]]<br />''Q''
! [[Schwache Hyperladung|Schw. Hyperladung]] ''Y<sub>w</sub>''
! [[Schwache Hyperladung|Schwache<br>Hyperladung]]<br />''Y<sub>w</sub>''
! 3. Komp. des schw. Isospins ''T<sub>z</sub>''
! 3. Komponente des<br>schwachen Isospins<br />''T<sub>z</sub>''
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| <math> {\nu_e \choose e}_L </math>
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| <math>{2/3}\choose{-1/3}</math>
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Die up-artigen Fermionen sind jeweils oben aufgeführt. Ihre elektrische Ladung ist um 1 größer als die der darunter aufgeführten, korrespondierenden down-artigen Teilchen.
Die up-artigen Fermionen sind jeweils oben aufgeführt. Ihre elektrische Ladung ist um&nbsp;1 größer als die der darunter aufgeführten, korrespondierenden down-artigen Teilchen.


{| class="wikitable"
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|+Singuletts (schwacher Isospin T=0):
|+ Singuletts (schwacher Isospin T = 0)
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! 2
! [[Elektrische Ladung|Elektrische<br />Ladung]]<br />''Q''
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! el. Ladung ''Q''
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| <math>e^-_R</math> || <math>\mu^-_R</math>
| <math>e^-_R</math> || <math>\mu^-_R</math>
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| <math>\tau^-_R</math> || <math>-1</math> || <math>-2</math>
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Die elektrische Ladung ist dabei in Einheiten der [[Elementarladung]] e verstanden. Der Strich bei d, s und b-Quarks weist darauf hin, dass dies die Zustände der schwachen Wechselwirkung und nicht die beobachtbaren Masseneigenzustände sind. Dieser Unterschied führt zur [[CKM-Matrix|CKM-Mischung]] von Quarks.
Die elektrische Ladung ist dabei in Einheiten der [[Elementarladung]]&nbsp;e verstanden. Der Strich bei d, s und b-Quarks weist darauf hin, dass dies die Zustände der schwachen Wechselwirkung und nicht die beobachtbaren Massen[[eigenzustand|eigenzustände]] sind. Dieser Unterschied führt zur [[CKM-Matrix|CKM-Mischung]] von Quarks.


Die ''elektroschwache Wechselwirkung'' wirkt zudem auf die zugehörigen [[Antiteilchen]] und aus diesen Teilchen zusammengesetzte Systeme. Zusätzlich zur elektrischen Ladung ''Q'' tragen die oben aufgezählten Teilchen eine schwache Hyperladung ''Y<sub>W</sub>''. Die elektrische Ladung steht mit dieser und der dritten Komponente des schwachen Isospins in [[Schwache Hyperladung#Definition|Zusammenhang]], es gilt: <math>Q = Y_W/2 + T_z\!\,</math>.
Die elektroschwache Wechselwirkung wirkt zudem auf die zugehörigen [[Antiteilchen]] und aus diesen Teilchen zusammengesetzte Systeme.  
 
Zusätzlich zur elektrischen Ladung&nbsp;''Q'' tragen die oben aufgezählten Teilchen eine [[schwache Hyperladung]]&nbsp;''Y<sub>W</sub>''. Die elektrische Ladung steht mit dieser und der dritten Komponente des schwachen Isospins in folgendem Zusammenhang:
 
:<math>Q = Y_W/2 + T_z</math>.


== Eichbosonen ==
== Eichbosonen ==
Wie bei allen [[Quantenfeldtheorie|quantenfeldtheoretischen]] [[Eichtheorie]]n werden auch in der elektroschwachen Theorie die Wechselwirkungen durch [[Eichboson]]en vermittelt. In der elektroschwachen Theorie treten rechnerisch zunächst vier masselose Eichbosonen auf:
Wie bei allen [[Quantenfeldtheorie|quantenfeldtheoretischen]] [[Eichtheorie]]n werden auch in der elektroschwachen Theorie die Wechselwirkungen durch [[Eichboson]]en vermittelt. In der elektroschwachen Theorie treten rechnerisch zunächst vier masselose Eichbosonen auf:
* ein B<sup>0</sup>-Boson (schwaches Isospin-Singulett <math>T=T_z=0</math> mit [[Kopplungskonstante|Kopplungsstärke]] g' an die schwache Hyperladung <math>Y_w</math>),
* ein B<sup>0</sup>-Boson (schwaches Isospin-Singulett <math>T=T_z=0</math> mit [[Kopplungskonstante|Kopplungsstärke]] g' an die schwache Hyperladung <math>Y_w</math>),
* drei W-Bosonen W<sup>0</sup>, W<sup>1</sup>, W<sup>2</sup> (schwaches Isospin-Triplett <math>T=1</math> und <math>T_z=0,\pm 1</math> mit Kopplungsstärke g an <math>T_z</math>).
* drei W-Bosonen W<sup>0</sup>, W<sup>1</sup>, W<sup>2</sup> (schwaches Isospin-Triplett <math>T=1</math> und <math>T_z=0,\pm 1</math> mit Kopplungsstärke g an <math>T_z</math>).


Nach einer [[Spontane Symmetriebrechung|spontanen Symmetriebrechung]] ergibt sich eine Massenmatrix für die vier Bosonen, die nicht diagonal ist. Eine Diagonalisierung auf die Masseneigenzustände führt letztlich zu drei massiven Eichbosonen und einem masselosen:
Nach einer [[Spontane Symmetriebrechung|spontanen Symmetriebrechung]] ergibt sich eine Massenmatrix für die vier Bosonen, die nicht diagonal ist. Eine [[Diagonalisierbare_Matrix #Diagonalisierung|Diagonalisierung]] auf die Masseneigenzustände führt letztlich zu drei massiven Eichbosonen und einem masselosen:


* das [[Photon]] <math>\gamma</math>, masselos, nicht elektrisch geladen
* das [[Photon]] <math>\gamma</math>, masselos, nicht elektrisch geladen
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Die [[Linearkombination]]en, mit denen diese Bosonen beschrieben werden, lauten:
Die [[Linearkombination]]en, mit denen diese Bosonen beschrieben werden, lauten:


::<math>\vert \gamma \rangle = \cos \theta_\mathrm{W} \vert B^0 \rangle + \sin \theta_\mathrm{W} \vert W^0 \rangle</math>
:<math>\vert \gamma \rangle = \cos \theta_\mathrm{W} \vert B^0 \rangle + \sin \theta_\mathrm{W} \vert W^0 \rangle</math>


::<math>\vert Z^0 \rangle = - \sin \theta_\mathrm{W} \vert B^0 \rangle + \cos \theta_\mathrm{W} \vert W^0 \rangle</math>
:<math>\vert Z^0 \rangle = - \sin \theta_\mathrm{W} \vert B^0 \rangle + \cos \theta_\mathrm{W} \vert W^0 \rangle</math>


::<math>\vert W^{\pm} \rangle = \frac{1}{\sqrt{2}}(\vert W^1 \rangle \mp i \vert W^2 \rangle)</math>
:<math>\vert W^{\pm} \rangle = \frac{1}{\sqrt{2}}\left(\vert W^1 \rangle \mp i \vert W^2 \rangle\right)</math>


Das Z<sup>0</sup>-Boson ist nicht wie die W<sup>±</sup>-Bosonen maximal [[Paritätsverletzung|paritätsverletzend]], da es einen Anteil des rechnerischen B<sup>0</sup>-Bosons enthält. Man sagt, die Zustände des Photons und des Z<sup>0</sup>-Bosons sind um den [[Weinbergwinkel]] <math>\theta_\mathrm{W}</math> gedreht.
Das Z<sup>0</sup>-Boson ist nicht wie die W<sup>±</sup>-Bosonen maximal [[Paritätsverletzung|paritätsverletzend]], da es einen Anteil des rechnerischen B<sup>0</sup>-Bosons enthält. Man sagt, die Zustände des Photons und des Z<sup>0</sup>-Bosons sind um den [[Weinbergwinkel]] <math>\theta_\mathrm{W}</math> gedreht.
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neutraleStroeme.png|Abbildung 1: neutrale Ströme
Neutral current.svg|Abbildung 1: neutrale Ströme
geladeneStröme.png|Abbildung 2: geladene Ströme
Charged current.svg|Abbildung 2: geladene Ströme
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Die W<sup>±</sup>-Bosonen tragen, im Gegensatz zum Z-Boson, eine elektrische Ladung. Die zugehörigen Teilchenprozesse bezeichnet man deswegen auch als „geladene Ströme“ (englisch ''charged currents'', CC), siehe Abbildung 2. Da diese zwei geladenen Ströme ausschließlich an die linkshändigen Dubletts koppeln, tritt bei beiden Vorgängen eine maximale Verletzung der Parität auf.
Die W<sup>±</sup>-Bosonen tragen, im Gegensatz zum Z-Boson, eine elektrische Ladung. Die zugehörigen Teilchenprozesse bezeichnet man deswegen auch als „geladene Ströme“ (englisch ''charged currents'', CC), siehe Abbildung 2. Da diese zwei geladenen Ströme ausschließlich an die linkshändigen Dubletts koppeln, tritt bei beiden Vorgängen eine maximale Verletzung der Parität auf.
=== CKM-Mischung bei Quarks ===


Bei Quarks ist im Zusammenhang mit den zwei W-Bosonen zusätzlich die [[CKM-Matrix|CKM-Mischung]] (benannt nach [[Nicola Cabibbo]], [[Makoto Kobayashi (Physiker)|Makoto Kobayashi]] und [[Toshihide Maskawa]]) zu beachten. Zum Beispiel kann ein u-Quark durch ein W <sup>−</sup> nicht nur in ein d-Quark umgewandelt werden. Es besteht mit geringerer Wahrscheinlichkeit auch die Möglichkeit ein s-Quark oder b-Quark zu erhalten. Die W-Bosonen können also auch das [[Flavour]] ändern. Dieses Verhalten wird dadurch verursacht, dass die Masseneigenzustände nicht mit den Wechselwirkungseigenzuständen übereinstimmen.
Bei Quarks ist im Zusammenhang mit den zwei W-Bosonen zusätzlich die [[CKM-Matrix|CKM-Mischung]] (benannt nach [[Nicola Cabibbo]], [[Makoto Kobayashi (Physiker)|Makoto Kobayashi]] und [[Toshihide Maskawa]]) zu beachten. Zum Beispiel kann ein u-Quark durch ein W <sup>−</sup> nicht nur in ein d-Quark umgewandelt werden. Es besteht mit geringerer Wahrscheinlichkeit auch die Möglichkeit ein s-Quark oder b-Quark zu erhalten. Die W-Bosonen können also auch das [[Flavour]] ändern. Dieses Verhalten wird dadurch verursacht, dass die Masseneigenzustände nicht mit den Wechselwirkungseigenzuständen übereinstimmen.
=== Namensgebung ===
Die W-Bosonen sind nach der Schwachen Kraft (englisch: '''w'''eak force) benannt (eine alternative Bezeichnung war und ist intermediäres Vektorboson),<ref>[[Chris Quigg]], ''Elementary particles and forces'', Scientific American, April 1985, S. 91</ref> das Z-Boson nach seiner elektrischen Neutralität (englisch: '''z'''ero charge).<br /> Die Abkürzungen W und Z finden sich in der Originalarbeit von Weinberg von 1967, Salam benutzt in seiner 1968 veröffentlichten Originalarbeit <math>W_{\pm}</math> für die geladenen Vektorbosonen und X für das Z-Boson (eine Mischung aus den <math>W_0</math> und <math>W_3</math> Komponenten), Glashow benutzte in seiner Arbeit von 1961 für alle vier Austauschteilchen die Abkürzung Z.
Nicht nur in populärwissenschaftlichen Medien findet man, wenn auch nicht sehr häufig, die Bezeichnung ''Weakonen'', meist für die beiden W-Bosonen '''und''' das Z-Boson,<ref>Wolfgang Bauer, Gary Westfall, Walter Benenson: [https://elearning.physik.uni-frankfurt.de/data/FB13-PhysikOnline/lm_data/lm_282/auto/kap28/cd908.htm Fundamentalkräfte], in: Universität Frankfurt, cliXX Physik, Kapitel 28: Kernphysik und Elementarteilchen; harri deutsch electronic science (hades)</ref><ref>Christoph Heimann: [http://www.teilchenphysik.de/multimedia/e51/e578/e704/infoboxContent1142/Ha_ohne_heimann.doc Einführung von Elementarteilchen und ihren grundlegenden Wechselwirkungen im Rahmen des Kernphysikunterrichtes in der 10. Klasse eines Gymnasiums], Schriftliche Hausarbeit gemäß §58 OVP für das Lehramt für die Sekundarstufe I + II im Fach Physik, Köln im August 2002, S. 9; sowie [http://www.teilchenphysik.de/multimedia/e51/e578/e704/infoboxContent1149/HA_ANL3_heimann.DOC Elementarteilchen – die Bausteine der Natur - Teilchenphysik. Anlagen]<!-- www.teilchenphysik.de/multimedia/e51/e578/e704/.../HA_ANL3_heimann.DOC -->, S. XII; auf: teilchenphysik.de Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, 2016</ref><ref>Paul Hemetsberger: [https://www.dict.cc/?s=Weakon Weakonen], dict.cc Deutsch-Englisches Wörterbuch, 2002–2018</ref><ref>Andreas Müller: [http://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/weakonen/522 Weakonen], Lexikon der Astronomie, 2007–2014; [https://www.spektrum.de/astrowissen/lexdt_s06.html Astro-Lexikon], S. 6; auf: Spektrum.de<!-- alter Link http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/downloads/Lexikon/LexikonW_AMueller2007.pdf wird hierhin weitergeleitet--></ref><ref>{{Literatur
  |Autor=Erich Übelacker, Arno Kolb
  |Titel=Moderne Physik
  |Band=WAS IST WAS, Band 79
  |Verlag=Tessloff Verlag
  |Datum=1. Januar 2018
  |ISBN=978-3-78860419-6
  |Seiten=48}} Hier: {{Google Buch | BuchID=yIbr4kcvj8IC | Seite=33 | Hervorhebung=weakonen moderne physik erich übelacker | Linktext=Seite 33}}, [http://static.onleihe.de/content/tessloff/20120830/978-3-7886-0419-6/v978-3-7886-0419-6.pdf Seite 48].</ref><ref>{{Literatur
  |Autor=[[Frank Wilczek]]
  |Titel=A Beautiful Question: Finding Nature's Deep Design
  |Verlag=Penguin
  |Datum=14. Juli 2015
  |ISBN=978-0-69819562-2
  |Seiten=400
  |Online={{Google Buch | BuchID=RwobBQAAQBAJ | Seite=178 | Hervorhebung=xyz weakon}}}}</ref> seltener '''nur''' für die W-Bosonen.<ref>[http://www.scinexx.de/dossier-detail-347-6.html Exkurs: Von Quarks und Higgs-Bosonen - Das Standardmodell in der ‚Nussschale’], auf: scinexx.de Dossier vom 13. April 2007</ref> Abgesehen vom unterschiedlichen Gebrauch ist der Begriff allerdings problematisch, da damit keine vollständige, abgeschlossene Gruppe bezeichnet wird – es fehlt das Photon. In offiziellen Publikationen wie etwa vom [[CERN]] oder der [[Particle Data Group]] taucht der Begriff nicht auf (Stand 2009).


== Wechselwirkung und Masse ==
== Wechselwirkung und Masse ==
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== Nobelpreise ==
== Nobelpreise ==
 
Die Quantisierung der elektromagnetischen Strahlung geht letztendlich auf die Erklärung der [[Schwarzer Körper|Schwarzkörperstrahlung]] durch [[Max Planck]] im Jahr 1900 zurück ([[plancksches Strahlungsgesetz]]). Für die Interpretation des [[Photoelektrischer Effekt|photoelektrischen Effektes]] in Form der Lichtquantenhypothese im Jahr 1905 erhielt [[Albert Einstein]] im Jahr 1921 den Physik-Nobelpreis. Diese Lichtquanten fanden sich später als [[Photon]]en in der Quantenphysik wieder. Das Photon ist das bekannteste Austausch-[[Boson]] der elektroschwachen Wechselwirkung.
Die Quantisierung der elektromagnetischen Strahlung geht letztendlich auf die Erklärung der [[Schwarzer Körper|Schwarzkörperstrahlung]] durch [[Max Planck]] im Jahr 1900 zurück ([[plancksches Strahlungsgesetz]]). Für die Interpretation des [[Photoelektrischer Effekt|photoelektrischen Effektes]] in Form der Lichtquantenhypothese im Jahr 1905 erhielt [[Albert Einstein]] im Jahr 1921 den Physik-Nobelpreis. Diese Lichtquanten fanden sich später als [[Photon]]en in der Quantenphysik wieder. Das [[Photon]] ist das bekannteste Austausch-[[Boson]] der elektroschwachen Wechselwirkung.


1957 gelang [[Chien-Shiung Wu]] in dem nach ihr benannten [[Wu-Experiment]] (durchgeführt am [[National Bureau of Standards]]) der Nachweis der [[Paritätsverletzung]] bei [[Schwache Wechselwirkung|schwachen Wechselwirkungen]] und damit der [[Empirie|empirische]] Nachweis für die [[Hypothese]] von [[Tsung-Dao Lee]] und [[Chen Ning Yang]]. Diese hatten 1956 die [[Theorie]] veröffentlicht, dass in der [[Elementarteilchen]]physik eine Vertauschung von rechts und links einen Unterschied machen kann, d.&nbsp;h. bei einer räumlichen Spiegelung müssen Original und Spiegelbild nicht immer ununterscheidbar sein (Paritätsverletzung).
1957 gelang [[Chien-Shiung Wu]] in dem nach ihr benannten [[Wu-Experiment]] (durchgeführt am [[National Bureau of Standards]]) der Nachweis der [[Paritätsverletzung]] bei [[Schwache Wechselwirkung|schwachen Wechselwirkungen]] und damit der [[Empirie|empirische]] Nachweis für die [[Hypothese]] von [[Tsung-Dao Lee]] und [[Chen Ning Yang]]. Diese hatten 1956 die [[Theorie]] veröffentlicht, dass in der [[Elementarteilchen]]physik eine Vertauschung von rechts und links einen Unterschied machen kann, d.&nbsp;h. bei einer räumlichen Spiegelung müssen Original und Spiegelbild nicht immer ununterscheidbar sein (Paritätsverletzung).
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Als Lee und Yang noch im gleichen Jahr den [[Physik-Nobelpreis]] erhielten, meinten viele Fachleute, dass Chien-Shiung Wu zu Unrecht leer ausgegangen sei. Der Grund wurde in der überkommenen Missachtung der experimentellen gegenüber der theoretischen Physik gesehen.
Als Lee und Yang noch im gleichen Jahr den [[Physik-Nobelpreis]] erhielten, meinten viele Fachleute, dass Chien-Shiung Wu zu Unrecht leer ausgegangen sei. Der Grund wurde in der überkommenen Missachtung der experimentellen gegenüber der theoretischen Physik gesehen.


Die Vereinheitlichung der elektromagnetischen mit der schwachen Wechselwirkung wurde zunächst von [[Sheldon Glashow]], [[Abdus Salam]] und [[Steven Weinberg]] 1967 theoretisch beschrieben (''GWS-Theorie''), experimentell wurde die Theorie 1973 indirekt durch die Entdeckung der neutralen Ströme (siehe unten) und 1983 direkt durch den Nachweis der [[W-Boson|W<sup>±</sup>]] und [[Z-Boson|Z<sup>0</sup>]]-[[Eichboson]]en (Austausch-Bosonen) bestätigt. Eine Besonderheit ist die Verletzung der [[Parität (Physik)|Parität]] durch die ''elektroschwache Wechselwirkung''. Für ihre Theorie erhielten die oben genannten 1979 den [[Nobelpreis für Physik]].
Die Vereinheitlichung der elektromagnetischen mit der schwachen Wechselwirkung wurde zunächst von [[Sheldon Glashow]], [[Abdus Salam]] und [[Steven Weinberg]] 1967 theoretisch beschrieben (''GWS-Theorie''), experimentell wurde die Theorie 1973 indirekt durch die Entdeckung der neutralen Ströme und 1983 direkt durch den Nachweis der [[W-Boson|W<sup>±</sup>]] und [[Z-Boson|Z<sup>0</sup>]]-[[Eichboson]]en (Austausch-Bosonen) bestätigt. Eine Besonderheit ist die Verletzung der [[Parität (Physik)|Parität]] durch die ''elektroschwache Wechselwirkung''. Für ihre Theorie erhielten die oben genannten 1979 den [[Nobelpreis für Physik]].


Als Sprecher des internationalen Forscherteams am [[UA1-Detektor]] und am Teilchenbeschleuniger [[Super Proton Synchrotron|SPS]] am [[CERN]] erhielt [[Carlo Rubbia]] und als Chefentwickler der [[Stochastische Kühlung|stochastischen Kühlung]] [[Simon van der Meer]] im Jahr 1984 den [[Nobelpreis für Physik|Physik-Nobelpreis]], „für ihre maßgeblichen Beiträge bei dem großen Projekt, das zur Entdeckung der Feldpartikel [[W-Boson|W]] und [[Z-Boson|Z]], Vermittler [[Schwache Wechselwirkung|schwacher Wechselwirkung]], geführt hat“.
Als Sprecher des internationalen Forscherteams am [[UA1-Detektor]] und am Teilchenbeschleuniger [[Super Proton Synchrotron|SPS]] am [[CERN]] erhielt [[Carlo Rubbia]] und als Chefentwickler der [[Stochastische Kühlung|stochastischen Kühlung]] [[Simon van der Meer]] im Jahr 1984 den [[Nobelpreis für Physik|Physik-Nobelpreis]], „für ihre maßgeblichen Beiträge bei dem großen Projekt, das zur Entdeckung der Feldpartikel [[W-Boson|W]] und [[Z-Boson|Z]], Vermittler [[Schwache Wechselwirkung|schwacher Wechselwirkung]], geführt hat“.
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Für die maßgebliche Beteiligung bei der Entwicklung einer Theoretischen Beschreibung zur Massengeneration in Eichtheorien erhielten 2013 [[François Englert]] und [[Peter Higgs]] den Nobelpreis für Physik. Die Theorie wurde durch die Entdeckung des zugehörigen Feldquants, des [[Higgs-Boson]]s, am [[Large Hadron Collider]] bestätigt.<ref>{{cite web|url=http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/2013/ |title=Nobel Prize in Physics 2013 |publisher=The Nobel Foundation |accessdate=2016-08-23}}</ref>
Für die maßgebliche Beteiligung bei der Entwicklung einer Theoretischen Beschreibung zur Massengeneration in Eichtheorien erhielten 2013 [[François Englert]] und [[Peter Higgs]] den Nobelpreis für Physik. Die Theorie wurde durch die Entdeckung des zugehörigen Feldquants, des [[Higgs-Boson]]s, am [[Large Hadron Collider]] bestätigt.<ref>{{cite web|url=http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/2013/ |title=Nobel Prize in Physics 2013 |publisher=The Nobel Foundation |accessdate=2016-08-23}}</ref>


== Die Elektroschwache Wechselwirkung im Gefüge einer möglicherweise einmal gefundenen [[Weltformel]] ==
== Einordnung ==
{{Tabelle der Grundkräfte}}
{{Tabelle der Grundkräfte}}
== Siehe auch ==
* [[Schwache Ladung]]
* [[V-A-Theorie]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 3. Mai 2021, 11:24 Uhr

Betazerfall in der elektroschwachen Wechselwirkung

Die elektroschwache Wechselwirkung bildet die Grundlage einer vereinheitlichten Theorie aus Quantenelektrodynamik und schwacher Wechselwirkung im Rahmen des Standardmodells. Sie wurde in den 1960er Jahren von den Physikern Sheldon Glashow,[1] Steven Weinberg[2] und Abdus Salam[3] eingeführt, um die elektromagnetische und schwache Wechselwirkung in einer Theorie zusammenzufassen. Sie erhielten dafür 1979 den Nobelpreis für Physik, nachdem die Theorie in den 1970er Jahren experimentell bestätigt worden war.

Während in der Quantenelektrodynamik die Wechselwirkung durch Austausch eines masselosen Photons beschrieben wird und die quantenfeldtheoretische Version der klassischen Elektrodynamik ist, erklärt die vereinheitlichte Theorie die geringe Reichweite der schwachen Wechselwirkung, die z. B. in der Neutrino-Physik und beim Betazerfall wirkt, damit, dass hier sehr viel schwerere Teilchen ausgetauscht werden: Das geladene W-Boson und das neutrale Z-Boson mit Massen in der Größenordnung von $ 10^{2} $ Giga-Elektronenvolt (GeV).

Die elektroschwache Theorie ist außerdem ein Beispiel für eine Eichfeldtheorie mit einer Eichgruppe, die dem Produkt $ SU(2)\times U(1) $ entspricht. Dabei steht $ SU(2) $ für die zweidimensionale Spezielle unitäre Gruppe und $ U(1) $ für die eindimensionale unitäre Gruppe. Der zweidimensionale Matrixcharakter ist ein Ausdruck davon, dass der Anteil der schwachen Wechselwirkung an der elektroschwachen Wechselwirkung verschiedene Elementarteilchen ineinander umwandelt. Dagegen entspricht $ U(1) $ nur einem Phasenfaktor (der Multiplikation mit einer komplexen Zahl) vor der Wellenfunktion.

Am einfachsten lässt sich die Wirkung der elektroschwachen Wechselwirkung durch Feynman-Diagramme veranschaulichen. Zum Beispiel werden beim Betazerfall des Neutrons ein Proton, ein Elektron und ein Antineutrino erzeugt. Dies kann beschrieben werden über den Austausch eines negativ geladenen W-Bosons, das im Nukleon ein d-Quark in ein u-Quark umwandelt und auf der anderen Seite bei den Leptonen ein Antineutrino in ein Elektron (siehe Abbildung rechts).

Physik der schwachen und elektroschwachen Wechselwirkung

Für die physikalische Beschreibung ist es notwendig, die Leptonen bzw. Quarks einer Generation (oder Familie) zu einem Dublett für links-chirale Teilchen und zu Singuletts für rechts-chirale Teilchen zusammenzufassen.[4] Die elektroschwache Wechselwirkung wirkt auf folgende Teilchendubletts und Singuletts aus Fermionen:

Dubletts (schwacher Isospin T = ½)
Leptonen Elektrische
Ladung

Q
Schwache
Hyperladung

Yw
3. Komponente des
schwachen Isospins
Tz
$ {\nu _{e} \choose e}_{L} $ $ {\nu _{\mu } \choose \mu }_{L} $ $ {\nu _{\tau } \choose \tau }_{L} $ $ {{0} \choose {-1}} $ $ {{-1} \choose {-1}} $ $ {{+1/2} \choose {-1/2}} $
Quarks
$ {u \choose d'}_{L} $ $ {c \choose s'}_{L} $ $ {t \choose b'}_{L} $ $ {{2/3} \choose {-1/3}} $ $ {{1/3} \choose {1/3}} $ $ {{+1/2} \choose {-1/2}} $

Die up-artigen Fermionen sind jeweils oben aufgeführt. Ihre elektrische Ladung ist um 1 größer als die der darunter aufgeführten, korrespondierenden down-artigen Teilchen.

Singuletts (schwacher Isospin T = 0)
1 2 3 Elektrische
Ladung

Q
schwache
Hyperladung
Yw
$ e_{R}^{-} $ $ \mu _{R}^{-} $ $ \tau _{R}^{-} $ $ -1 $ $ -2 $
$ u_{R} $ $ c_{R} $ $ t_{R} $ $ +{\frac {2}{3}} $ $ +{\frac {4}{3}} $
$ d_{R} $ $ s_{R} $ $ b_{R} $ $ -{\frac {1}{3}} $ $ -{\frac {2}{3}} $

Die elektrische Ladung ist dabei in Einheiten der Elementarladung e verstanden. Der Strich bei d, s und b-Quarks weist darauf hin, dass dies die Zustände der schwachen Wechselwirkung und nicht die beobachtbaren Masseneigenzustände sind. Dieser Unterschied führt zur CKM-Mischung von Quarks.

Die elektroschwache Wechselwirkung wirkt zudem auf die zugehörigen Antiteilchen und aus diesen Teilchen zusammengesetzte Systeme.

Zusätzlich zur elektrischen Ladung Q tragen die oben aufgezählten Teilchen eine schwache Hyperladung YW. Die elektrische Ladung steht mit dieser und der dritten Komponente des schwachen Isospins in folgendem Zusammenhang:

$ Q=Y_{W}/2+T_{z} $.

Eichbosonen

Wie bei allen quantenfeldtheoretischen Eichtheorien werden auch in der elektroschwachen Theorie die Wechselwirkungen durch Eichbosonen vermittelt. In der elektroschwachen Theorie treten rechnerisch zunächst vier masselose Eichbosonen auf:

  • ein B0-Boson (schwaches Isospin-Singulett $ T=T_{z}=0 $ mit Kopplungsstärke g' an die schwache Hyperladung $ Y_{w} $),
  • drei W-Bosonen W0, W1, W2 (schwaches Isospin-Triplett $ T=1 $ und $ T_{z}=0,\pm 1 $ mit Kopplungsstärke g an $ T_{z} $).

Nach einer spontanen Symmetriebrechung ergibt sich eine Massenmatrix für die vier Bosonen, die nicht diagonal ist. Eine Diagonalisierung auf die Masseneigenzustände führt letztlich zu drei massiven Eichbosonen und einem masselosen:

  • das Photon $ \gamma $, masselos, nicht elektrisch geladen
  • das Z0-Boson, Masse 91,1879(21) GeV, nicht elektrisch geladen[5]
  • zwei W-Bosonen W±, Masse 80,385(15) GeV, elektrische Ladung ±1.[5]

Die Linearkombinationen, mit denen diese Bosonen beschrieben werden, lauten:

$ \vert \gamma \rangle =\cos \theta _{\mathrm {W} }\vert B^{0}\rangle +\sin \theta _{\mathrm {W} }\vert W^{0}\rangle $
$ \vert Z^{0}\rangle =-\sin \theta _{\mathrm {W} }\vert B^{0}\rangle +\cos \theta _{\mathrm {W} }\vert W^{0}\rangle $
$ \vert W^{\pm }\rangle ={\frac {1}{\sqrt {2}}}\left(\vert W^{1}\rangle \mp i\vert W^{2}\rangle \right) $

Das Z0-Boson ist nicht wie die W±-Bosonen maximal paritätsverletzend, da es einen Anteil des rechnerischen B0-Bosons enthält. Man sagt, die Zustände des Photons und des Z0-Bosons sind um den Weinbergwinkel $ \theta _{\mathrm {W} } $ gedreht.

Das Photon verhält sich wie im Rahmen der QED beschrieben.

Z- und W-Bosonen

Das ungeladene Eichboson Z0 wirkt auf alle in obiger Tabelle aufgeführten linkshändigen Anteile und durch die Weinberg-Mischung zu einem Teil auch auf die rechtshändigen Anteile. Da das Z-Boson keine elektrische Ladung besitzt, spricht man bei diesen Vorgängen auch von neutralen Strömen (englisch neutral currents, NC), siehe Abbildung 1. Bei beiden Prozessen findet teilweise eine Verletzung der Parität statt.

Die W±-Bosonen tragen, im Gegensatz zum Z-Boson, eine elektrische Ladung. Die zugehörigen Teilchenprozesse bezeichnet man deswegen auch als „geladene Ströme“ (englisch charged currents, CC), siehe Abbildung 2. Da diese zwei geladenen Ströme ausschließlich an die linkshändigen Dubletts koppeln, tritt bei beiden Vorgängen eine maximale Verletzung der Parität auf.

CKM-Mischung bei Quarks

Bei Quarks ist im Zusammenhang mit den zwei W-Bosonen zusätzlich die CKM-Mischung (benannt nach Nicola Cabibbo, Makoto Kobayashi und Toshihide Maskawa) zu beachten. Zum Beispiel kann ein u-Quark durch ein W nicht nur in ein d-Quark umgewandelt werden. Es besteht mit geringerer Wahrscheinlichkeit auch die Möglichkeit ein s-Quark oder b-Quark zu erhalten. Die W-Bosonen können also auch das Flavour ändern. Dieses Verhalten wird dadurch verursacht, dass die Masseneigenzustände nicht mit den Wechselwirkungseigenzuständen übereinstimmen.

Namensgebung

Die W-Bosonen sind nach der Schwachen Kraft (englisch: weak force) benannt (eine alternative Bezeichnung war und ist intermediäres Vektorboson),[6] das Z-Boson nach seiner elektrischen Neutralität (englisch: zero charge).
Die Abkürzungen W und Z finden sich in der Originalarbeit von Weinberg von 1967, Salam benutzt in seiner 1968 veröffentlichten Originalarbeit $ W_{\pm } $ für die geladenen Vektorbosonen und X für das Z-Boson (eine Mischung aus den $ W_{0} $ und $ W_{3} $ Komponenten), Glashow benutzte in seiner Arbeit von 1961 für alle vier Austauschteilchen die Abkürzung Z.

Nicht nur in populärwissenschaftlichen Medien findet man, wenn auch nicht sehr häufig, die Bezeichnung Weakonen, meist für die beiden W-Bosonen und das Z-Boson,[7][8][9][10][11][12] seltener nur für die W-Bosonen.[13] Abgesehen vom unterschiedlichen Gebrauch ist der Begriff allerdings problematisch, da damit keine vollständige, abgeschlossene Gruppe bezeichnet wird – es fehlt das Photon. In offiziellen Publikationen wie etwa vom CERN oder der Particle Data Group taucht der Begriff nicht auf (Stand 2009).

Wechselwirkung und Masse

Massenbehaftete Eichbosonen können in der Quantenfeldtheorie nur mit Hilfe eines Skalarfeldes beschrieben werden, das den beteiligten Eichbosonen Masse verleiht. In der elektroschwachen Theorie ist dieses Feld das Higgs-Feld (benannt nach Peter Higgs). Dabei nimmt man an, dass das skalare Higgs-Feld im frühen Universum nur ein Minimum besaß.

Durch die fortlaufende Abkühlung folgte ein spontaner Symmetriebruch und das Higgs-Feld fiel in ein neues Minimum. Die Eichbosonen der elektroschwachen Wechselwirkung erhalten durch die Ankopplung an das Higgs-Feld endliche Massen. Am 4. Juli 2012 wurde durch das CERN die Entdeckung eines Bosons mit einer Masse von etwa 125 GeV/c² bekannt gegeben, bei dem es sich sehr wahrscheinlich um das Higgs-Teilchen handelt.[14]

Erweiterungen

Man versucht die elektroschwache Wechselwirkung ihrerseits mit anderen Wechselwirkungen zu vereinigen. Naheliegend ist die Erweiterung um die starke Wechselwirkung (QCD) zu einer GUT. Auch Erweiterungen der Eichgruppen z. B. um eine rechtshändige $ SU(2)_{R} $ wurden vorgeschlagen.[15] Diese Erweiterungen sagen je nach genauem Modell Z- und/oder W-artige Bosonen voraus, nach denen u. a. am Large Hadron Collider gesucht wird. Bis jetzt sind solche Z'- oder W'-Bosonen nicht beobachtet worden.[5]

Nobelpreise

Die Quantisierung der elektromagnetischen Strahlung geht letztendlich auf die Erklärung der Schwarzkörperstrahlung durch Max Planck im Jahr 1900 zurück (plancksches Strahlungsgesetz). Für die Interpretation des photoelektrischen Effektes in Form der Lichtquantenhypothese im Jahr 1905 erhielt Albert Einstein im Jahr 1921 den Physik-Nobelpreis. Diese Lichtquanten fanden sich später als Photonen in der Quantenphysik wieder. Das Photon ist das bekannteste Austausch-Boson der elektroschwachen Wechselwirkung.

1957 gelang Chien-Shiung Wu in dem nach ihr benannten Wu-Experiment (durchgeführt am National Bureau of Standards) der Nachweis der Paritätsverletzung bei schwachen Wechselwirkungen und damit der empirische Nachweis für die Hypothese von Tsung-Dao Lee und Chen Ning Yang. Diese hatten 1956 die Theorie veröffentlicht, dass in der Elementarteilchenphysik eine Vertauschung von rechts und links einen Unterschied machen kann, d. h. bei einer räumlichen Spiegelung müssen Original und Spiegelbild nicht immer ununterscheidbar sein (Paritätsverletzung).

Als Lee und Yang noch im gleichen Jahr den Physik-Nobelpreis erhielten, meinten viele Fachleute, dass Chien-Shiung Wu zu Unrecht leer ausgegangen sei. Der Grund wurde in der überkommenen Missachtung der experimentellen gegenüber der theoretischen Physik gesehen.

Die Vereinheitlichung der elektromagnetischen mit der schwachen Wechselwirkung wurde zunächst von Sheldon Glashow, Abdus Salam und Steven Weinberg 1967 theoretisch beschrieben (GWS-Theorie), experimentell wurde die Theorie 1973 indirekt durch die Entdeckung der neutralen Ströme und 1983 direkt durch den Nachweis der W± und Z0-Eichbosonen (Austausch-Bosonen) bestätigt. Eine Besonderheit ist die Verletzung der Parität durch die elektroschwache Wechselwirkung. Für ihre Theorie erhielten die oben genannten 1979 den Nobelpreis für Physik.

Als Sprecher des internationalen Forscherteams am UA1-Detektor und am Teilchenbeschleuniger SPS am CERN erhielt Carlo Rubbia und als Chefentwickler der stochastischen Kühlung Simon van der Meer im Jahr 1984 den Physik-Nobelpreis, „für ihre maßgeblichen Beiträge bei dem großen Projekt, das zur Entdeckung der Feldpartikel W und Z, Vermittler schwacher Wechselwirkung, geführt hat“.

Für die maßgebliche Beteiligung bei der Entwicklung einer Theoretischen Beschreibung zur Massengeneration in Eichtheorien erhielten 2013 François Englert und Peter Higgs den Nobelpreis für Physik. Die Theorie wurde durch die Entdeckung des zugehörigen Feldquants, des Higgs-Bosons, am Large Hadron Collider bestätigt.[16]

Einordnung

Schritte zur Weltformel (Theory of everything)
Starke
Wechselwirkung
Elektrostatik Magnetostatik Schwache
Wechselwirkung
Gravitation
Elektromagnetische
Wechselwirkung
Quantenchromodynamik Quantenelektrodynamik Allgemeine
Relativitätstheorie
Elektroschwache Wechselwirkung Quantengravitation
Standardmodell
Große vereinheitlichte Theorie
Weltformel: Stringtheorie, M-Theorie, Schleifenquantengravitation
Anmerkung: Theorien in frühem Stadium der Entwicklung sind blau hinterlegt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Sheldon Glashow, Partial-Symmetries of Weak Interactions, Nuclear Physics B, Band 22, 1961, S. 579
  2. Steven Weinberg, A model of leptons, Phys. Rev. Lett., Band 19, 1967, S. 1264–1266
  3. Salam gibt als letzten Schritt zur elektroschwachen Theorie (gleichzeitig mit Weinberg) seinen Beitrag Weak and Electromagnetic Interaction zu N. Svartholm (Hrsg.), Elementary Particle Theory, Proc. 8th Nobel Symposium, Almqvist und Wiksell, Stockholm 1968, an. Siehe Salam, Gauge unification of fundamental forces, Reviews of Modern Physics, Band 52, 1980, S. 529
  4. Walter Greiner, Berndt Müller: Eichtheorie der schwachen Wechselwirkung. 2. Auflage, Harri Deutsch, 1995, S. 184, ISBN 3-8171-1427-3
  5. 5,0 5,1 5,2 K.A. Olive et al. (PDG):'Review of Particle Physics'. Chin.Phys. C,38, 2014.
  6. Chris Quigg, Elementary particles and forces, Scientific American, April 1985, S. 91
  7. Wolfgang Bauer, Gary Westfall, Walter Benenson: Fundamentalkräfte, in: Universität Frankfurt, cliXX Physik, Kapitel 28: Kernphysik und Elementarteilchen; harri deutsch electronic science (hades)
  8. Christoph Heimann: Einführung von Elementarteilchen und ihren grundlegenden Wechselwirkungen im Rahmen des Kernphysikunterrichtes in der 10. Klasse eines Gymnasiums, Schriftliche Hausarbeit gemäß §58 OVP für das Lehramt für die Sekundarstufe I + II im Fach Physik, Köln im August 2002, S. 9; sowie Elementarteilchen – die Bausteine der Natur - Teilchenphysik. Anlagen, S. XII; auf: teilchenphysik.de Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, 2016
  9. Paul Hemetsberger: Weakonen, dict.cc Deutsch-Englisches Wörterbuch, 2002–2018
  10. Andreas Müller: Weakonen, Lexikon der Astronomie, 2007–2014; Astro-Lexikon, S. 6; auf: Spektrum.de
  11. Erich Übelacker, Arno Kolb: Moderne Physik. WAS IST WAS, Band 79. Tessloff Verlag, 2018, ISBN 978-3-7886-0419-6, S. 48. Hier: Seite 33 in der Google-Buchsuche, Seite 48.
  12. Frank Wilczek: A Beautiful Question: Finding Nature's Deep Design. Penguin, 2015, ISBN 978-0-698-19562-2, S. 400 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. Exkurs: Von Quarks und Higgs-Bosonen - Das Standardmodell in der ‚Nussschale’, auf: scinexx.de Dossier vom 13. April 2007
  14. CERN experiments observe particle consistent with long-sought Higgs boson. Pressemitteilung von CERN. 4. Juli 2012. Abgerufen am 6. Juli 2012.
  15. G. Senjanovic and R. N. Mohapatra, Phys. Rev. D 12, 1502
  16. Nobel Prize in Physics 2013. The Nobel Foundation. Abgerufen am 23. August 2016.

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