Dietrich Koch: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Dietrich Koch''' (* [[27. August]] [[1937]] in [[Leipzig]]) ist ein deutscher Physiker und Philosoph sowie ehemaliger [[Politische Haft (DDR)|politischer Gefangener in der DDR]].
{{Dieser Artikel|befasst sich mit dem Physiker und Philosophen Dietrich Koch. Zum Theologen siehe [[Dietrich-Alex Koch]].}}
[[Datei:Koch dietrich alte boerse leipzig may 2008.png|mini|Dietrich Koch in der [[Alte Handelsbörse (Leipzig)|Alten Handelsbörse]] in Leipzig, Mai 2008]]
'''Dietrich Koch''' (* [[27. August]] [[1937]] in [[Leipzig]], [[Sachsen]]; † [[25. März]] [[2020]] in [[Mülheim an der Ruhr]], [[Nordrhein-Westfalen]])<ref>''[https://trauer-anzeigen.de/traueranzeige/dietrich-koch Traueranzeige.]'' [[Leipziger Volkszeitung]] vom 3. April 2020.</ref> war ein deutscher [[Physiker]], [[Philosoph]] und [[Autor]] sowie ein [[Opposition und Widerstand in der DDR|Oppositioneller]] und [[Politische Haft (DDR)|politischer Gefangener]] in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]]. Er war 1968 an einer öffentlichkeitswirksamen Protestaktion beteiligt.<ref name="Bundesstiftung">[https://web.archive.org/web/20180517223854/https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/uploads/ausstellungen/unikirche.pdf ''Die ganze action hat geprägt.''] In: bundesstiftung-aufarbeitung.de, aus dem Archiv abgerufen am 4.&nbsp;Oktober 2020.</ref><ref name="Blecher">Jens Blecher: [https://web.archive.org/web/20160120201215/https://www.archiv.uni-leipzig.de/geschichte/universitatsgeschichte/dokumente/fruehjahr-1968-begann-fuer-die-universitaet-leipzig-eine-zeit-des-erinnerns/ ''Die Paulinerkirche und die Politik.''] In: Universitätsarchiv Leipzig, auf: uni-leipzig.de, aus dem Archiv abgerufen am 4.&nbsp;Oktober 2020.</ref>


Koch studierte von 1955 bis 1962 an der [[Universität Leipzig|Karl-Marx-Universität Leipzig]] [[Physik]]. Von 1962 bis 1968 war er als theoretischer Physiker an der Deutschen Akademie der Wissenschaften Berlin in Leipzig beschäftigt.
== Leben und Wirken ==
Er wurde als erstes Kind des Ingenieurs und späteren Berufsschullehrers Walther Koch (1907–1973) und dessen Ehefrau Anna Agnes Gertrud Koch, geb. Töpel (1907–1978), geboren. Seine jüngeren Geschwister sind der Physiker Eckhard Walter Koch (* 1940) und die Ärztin Gisela Ilse Bergmann, geb. Koch (* 1942). Die Familie ist in der [[Herrnhuter Brüdergemeine]] verwurzelt.


Von 1973 bis zum Eintritt in den Ruhestand 2002 war er als Mitarbeiter der philosophischen Fakultät an der Universität Essen beschäftigt.
Koch besuchte von 1943 bis 1945 die Grundschule in [[Bad Schandau]], danach bis 1951 die 34. Grundschule in Leipzig und anschließend bis  1955 die Leipziger [[Leibnizschule (Leipzig)|Leibniz-Oberschule]]. Dort wurde er u. a. von [[Martin Kießig]] unterrichtet. Nach dem [[Abitur]] studierte er von 1955 bis 1962 [[Physik]] an der [[Universität Leipzig|Karl-Marx-Universität]].
 
Von 1962 bis 1968 war er als theoretischer Physiker an der [[Akademie der Wissenschaften der DDR]] in Leipzig tätig. Seine Dissertation hatte er 1968 bereits weitgehend abgeschlossen, konnte diese jedoch aufgrund seiner Inhaftierung nicht mehr einreichen.
 
Im Jahr 1972 wurde Koch von der DDR in die Bundesrepublik abgeschoben,<ref name="Schulz">Uta Schulz: [https://www.welt.de/kultur/history/article12921188/Als-die-Stasi-eine-CIA-Verschwoerung-vermutete.html ''Als die Stasi eine CIA-Verschwörung vermutete'']. In: ''[[Die Welt]]'' vom 4. April 2011, auf: welt.de</ref> wo er an der [[Universität Duisburg-Essen|Universität Essen]] Philosophie studierte. Ab 1973 bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2002 war er an der philosophischen Fakultät dieser Universität beschäftigt. Er [[Promotion (Doktor)|promovierte]] 1982 bei [[Klaus Michael Meyer-Abich]] und [[Carl Friedrich von Weizsäcker]] zum Thema ''Nicht-klassischer Realismus: Die Quantentheorie als allgemeine Theorie objektivierender Erfahrung''.<ref>''Nicht-klassischer Realismus: Die Quantentheorie als allgemeine Theorie objektivierender Erfahrung'', Philosophische Dissertation, Universität Essen 1982.</ref>


== Widerstandstätigkeit ==
== Widerstandstätigkeit ==
Dietrich Koch protestierte im Jahr 1968 vor der Kirche gegen die Sprengung der Leipziger [[Paulinerkirche (Leipzig)|Paulinerkirche]]. Er wurde festgenommen und daraufhin von seinem Arbeitgeber, der Akademie der Wissenschaften, fristlos entlassen. Kurz darauf konstruierte er gemeinsam mit seinem Bruder Eckhard einen Auslösemechanismus, der während der Abschlussveranstaltung des Internationalen Bachwettbewerbes in der Leipziger Kongresshalle ein Plakat mit der Forderung nach dem Wiederaufbau der Paulinerkirche entrollte.
Koch protestierte im Jahr 1968 vor der Leipziger [[Paulinerkirche (Leipzig)|Paulinerkirche]] gegen deren Sprengung.<ref name="Bundesstiftung" /> Aus diesem Grund wurde er festgenommen und daraufhin von seinem Arbeitgeber, der Akademie der Wissenschaften der DDR, fristlos entlassen.
 
Kurz darauf konstruierte er gemeinsam mit seinem Bruder, dem Physiker [[Eckhard Koch]], einen zeitgesteuerten Auslösemechanismus, der während der Abschlussveranstaltung des ''III. [[Internationaler Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb|Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerbs]]'' in der [[Kongresshalle Leipzig|Leipziger Kongresshalle]] am 20. Juni 1968 ein ca. 1,5 × 2,5 Meter großes Plakat mit der Forderung nach dem Wiederaufbau der Paulinerkirche entrollte.<ref name="Schulz" /> Dieser Protest löste einen Skandal aus und wurde international beachtet.<ref name="Blecher" />
 
Erst knapp drei Jahre später gelang es dem [[Ministerium für Staatssicherheit|Staatssicherheitsdienst]] der [[DDR]], die Täter festzustellen, als sie durch Bernard Langfermann (IM „Boris Buch“), Stasi-Mann und Mitglied der [[Sozialistische Einheitspartei Westberlins|Sozialistischen Einheitspartei Westberlins]], [[Denunziation|denunziert]] worden waren.<ref>[https://www.spiegel.de/geschichte/protest-in-der-ddr-a-949618.html ''Der Druck war unerträglich'']. In: [[Der Spiegel|Spiegel online]] vom 31. Mai 2010, auf: spiegel.de</ref> Dietrich Koch wurde als Einziger für diese Tat verurteilt.<ref name="Schulz" />


Erst zwei Jahre später gelang es dem Staatssicherheitsdienst der DDR, die Täter festzustellen, da sie durch das westdeutsche [[Sozialistische Einheitspartei Westberlins|SEW]]-Mitglied und Stasi-Mann Bernard Langfermann denunziert worden waren.<ref>[http://einestages.spiegel.de/static/authoralbumbackground/2820/_der_druck_war_unertraeglich.html „Der Druck war unerträglich“], [[Der Spiegel|Spiegel online]], 31. Mai 2010</ref> Koch wurde verhaftet und als Einziger für diese Tat verurteilt. Bereits 1969 hatte ihm [[Carl Friedrich von Weizsäcker]] Arbeit an seinem Institut und seine Unterstützung zur legalen Ausreise angeboten. Infolge dieser Kontakte wurde Koch zusätzlich wegen staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme, staatsfeindlicher Gruppenbildung und Vorbereitung des „[[Ungesetzlicher Grenzübertritt|ungesetzlichen Grenzübertritts]]“ sowie [[Kriegs- und Boykotthetze|staatsfeindlicher Hetze]] angeklagt. Er wurde zu zweieinhalbjähriger Haft sowie anschließender unbegrenzter Einweisung in die Psychiatrie verurteilt. Das Urteil und das diesem zugrundeliegende Gutachten wurden später von der sächsischen Untersuchungskommission als politischer [[Politischer Missbrauch der Psychiatrie|Psychiatriemissbrauch]] anerkannt.
Bereits 1969 hatte ihm [[Carl Friedrich von Weizsäcker]] Arbeit an seinem Institut und seine Unterstützung für eine legale Ausreise aus der DDR angeboten. Infolge dieses Kontakts wurde Koch zusätzlich wegen staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme, staatsfeindlicher Gruppenbildung, staatsfeindlichen Menschenhandels und Vorbereitung des „[[Ungesetzlicher Grenzübertritt|ungesetzlichen Grenzübertritts]]“ sowie [[Kriegs- und Boykotthetze|staatsfeindlicher Hetze]]angeklagt.<ref>[https://www.zeitzeugenbuero.de/index.php?id=detail&tx_zrwzeitzeugen_zeitzeugen%5Buid%5D=180&tx_zrwzeitzeugen_zeitzeugen%5Bcontroller%5D=Zeitzeugen ''Dr. Dietrich Koch''], auf: zeitzeugenbuero.de</ref> Er wurde zu einer zweieinhalbjährigen Haft und einer anschließenden unbegrenzten Einweisung in die Psychiatrie (Psychiatrisches Haftkrankenhaus [[Waldheim]]) verurteilt.


Im Jahr 1972 wurde Koch nach Westdeutschland abgeschoben, studierte Philosophie, promovierte bei [[Carl Friedrich von Weizsäcker]] und [[Klaus Michael Meyer-Abich]]. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2002 arbeitete er als Philosoph an der [[Universität Essen]].
Das Urteil und das diesem zugrunde liegende Gutachten wurden nach dem Ende der DDR 1992 aufgehoben und von der sächsischen Untersuchungskommission als politischer [[Politischer Missbrauch der Psychiatrie|Psychiatriemissbrauch]] klassifiziert und anerkannt.<ref>Dietrich Koch: ''Politische Sicherungsverwahrung. Psychiatriemißbrauch in der DDR''. In: ''Der Stacheldraht'', Nr. 4/2010, S. 8–9.</ref>


== Veröffentlichungen ==
== Veröffentlichungen ==
* ''Nicht geständig: Der Plakatprotest im Stasi-Verhör'', Ch. Hille Dresden 2008, ISBN 978-3-939025-06-1.
* ''Nicht-klassischer Realismus: Die Quantentheorie als allgemeine Theorie objektivierender Erfahrung'', Philosophische Dissertation, Universität Essen 1982.
* ''Kulturkampf in Leipzig'', Forum-Verlag Leipzig 2006, ISBN 3-931801-20-9.
* ''Das Verhör: Zerstörung und Widerstand'', Ch. Hille, Dresden 2001, 2 Bände und Dokumentenband, ISBN 3-932858-38-7.
* ''Denkschrift für den Wiederaufbau der Leipziger Universitätskirche St. Pauli'', Hille Dresden 2001.
* mit Eckhard Koch: ''Denkschrift für den Wiederaufbau der Leipziger Universitätskirche St. Pauli'', Ch. Hille, Dresden 2001.
* ''Nicht-klassischer Realismus: die Quantentheorie als allgemeine Theorie objektivierender Erfahrung'', Essen, Dissertation 1982.
* Rede auf dem Leipziger Augustusplatz vom 30. Mai 2002<ref>[https://www.paulinerverein-dokumente.de/app/download/7950632820/2002_05_30%2BRede%2BD%2BKoch.pdf%3Ft%3D1512920768+&cd=15&hl=de&ct=clnk&gl=de ''Rede auf dem Leipziger Augustusplatz vom 30. Mai 2002''], auf: paulinerverein.de (PDF-Datei; 68&nbsp;kB)</ref>
* ''Das Verhör: Zerstörung und Widerstand'', Hille Dresden 2000, 2 Bände und Dokumentenband, ISBN 3-932858-38-7.
* Neugestaltung des Grundstücks der Universitätskirche, Offener Brief vom 8. Oktober 2003<ref>[http://www.paulinerverein.de/dialog.htm ''Offener Brief zur Neugestaltung des Grundstücks der Universitätskirche vom 8. Oktober 2003''], auf: paulinerverein.de</ref>
* mit Eckhard Koch: ''Kulturkampf in Leipzig'', Forum-Verlag Leipzig 2006, ISBN 3-931801-20-9.
* ''Nicht geständig: Der Plakatprotest im Stasi-Verhör'', Ch. Hille, Dresden 2006, ISBN 978-3-939025-06-1.
* mit Eckhard Koch und Klaus-Jürgen Barth: ''Nicht geständig – Der Plakatprotest im Stasi-Verhör''. Buchlesung und Hörfassung von Dietrich Koch und Eckhard Koch am 30. April 2010 in der Kirche St. Martin, Zwochau. 2 CDs mit Booklet. Pro Universitätskirche Leipzig e. V., Leipzig 2012. ISBN 978-3-00-039107-1.
* ''Kritik an Stefan Welzk. Leipzig 1968. Aus der Erfahrung eines Stasihäftlings''. Autobiografie 1968–1972. Ch. Hille, Dresden 2013, ISBN 978-3-939025-41-2.
* Dietrich Koch: ''Das Plakat gegen die Sprengung der Universitätskirche Leipzig im Stasi-Verhör''. In: Frank Hoffmann, Silke Flegel (Hrsg.): ''Fluchtpunkt NRW. Zeitzeugenberichte zur DDR-Geschichte'' (= ''Deutschland in Europa. Gesellschaft und Kultur''), Bd. 3, LIT Verlag, Berlin 2016. ISBN 978-3-643-13382-3.
 
== Mitgliedschaften (Auswahl) ==
* Pro Universitätskirche e. V.
* [[Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft]] (UOKG)
* Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie e. V. (GEP)<ref>[http://www.psychiatrie-und-ethik.de/wpgepde/dietrich-koch/ ''Dietrich Koch'']. In: Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie e. V., auf: psychiatrie-und-ethik.de</ref>
 
== Ehrung ==
* 2019 – ''Memory of Nations Award'' des tschechischen Vereins ''Post Bellum''<ref>[https://www.radio.cz/de/rubrik/schauplatz/tschechische-ehrung-fuer-verfolgten-aus-der-ddr ''Tschechische Ehrung für Verfolgten aus der DDR''], auf: radio.cz</ref><ref>[https://www.cenypametinaroda.cz/laureati/dietrich-koch/ ''Memory of Nations Awards''], auf: cenypametinaroda.cz</ref>
 
== Audio- und Video-Dokumentationen ==
* [https://www.radio.cz/mp3/podcast/de/schauplatz/tschechische-ehrung-fuer-verfolgten-aus-der-ddr.mp3 ''Ehrung für Dietrich Koch''], auf: radio.cz (9:39 Min., in deutscher Sprache)
* [https://www.memoryofnations.eu/en/koch-dietrich-1937 3 Audioclips als Auszug eines Interviews (25:52 Min.) vom 15. Juli 2019], auf: memoryofnations.eu
 
* {{Internetquelle |url=https://www.ceskatelevize.cz/ivysilani/12831803262-ceny-pameti-naroda-2019/21954215076 |titel=Ceny Paměti národa 2019 |werk=[[ČT2]] |datum=2019-11-17 |format=Video, 1:30&nbsp;Stunden |kommentar=Ehrung für Dietrich Koch; 43:43&nbsp;Min. bis 51:50&nbsp;Min. |sprache=cs |abruf=2020-04-03 |abruf-verborgen=1}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|122482662}}
* {{DNB-Portal|122482662}}
* [http://www.was-fuer-ein-leben.de/anschauen.php?ida=198 Biographische Informationen]
* [http://www.zeitzeugenbuero.de/index.php?id=detail&tx_zrwzeitzeugen_zeitzeugen%5Buid%5D=180&tx_zrwzeitzeugen_zeitzeugen%5Bcontroller%5D=Zeitzeugen Dietrich Koch] im [[Zeitzeugenportal (Aufarbeitung der SED-Diktatur)|Zeitzeugenportal]]
* Dietrich Koch: [http://www.uokg.de/cms/attachments/Stacheldraht4-2010.pdf Politische Sicherungsverwahrung. Psychiatriemißbrauch in der DDR], in: der stacheldraht, Nr. 4/2010, S. 8-9.
* [https://www.memoryofnations.eu/de/koch-dietrich-20190715-0 Dietrich Koch (* 1937 † 2020)], auf: memoryofnations.eu
 
== Siehe auch ==
* [[Opposition und Widerstand in der DDR]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Physiker (20. Jahrhundert)]]
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[[Kategorie:Mitarbeiter (Akademie der Wissenschaften der DDR)]]
[[Kategorie:DDR-Opposition]]
[[Kategorie:Opfer der Diktatur in der DDR]]
[[Kategorie:Zeitzeuge der SED-Diktatur]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Duisburg-Essen, Campus Essen)]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Duisburg-Essen, Campus Essen)]]
[[Kategorie:Physiker (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Autor]]
[[Kategorie:DDR-Opposition]]
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)]]
[[Kategorie:Sachliteratur]]
[[Kategorie:Autobiografie]]
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[[Kategorie:Person (Leipzig)]]
[[Kategorie:Dissident (DDR)]]
[[Kategorie:Deutscher]]
[[Kategorie:Deutscher]]
[[Kategorie:Opfer der Diktatur in der DDR]]
[[Kategorie:Geboren 1937]]
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Aktuelle Version vom 10. Dezember 2021, 13:45 Uhr

Dietrich Koch in der Alten Handelsbörse in Leipzig, Mai 2008

Dietrich Koch (* 27. August 1937 in Leipzig, Sachsen; † 25. März 2020 in Mülheim an der Ruhr, Nordrhein-Westfalen)[1] war ein deutscher Physiker, Philosoph und Autor sowie ein Oppositioneller und politischer Gefangener in der DDR. Er war 1968 an einer öffentlichkeitswirksamen Protestaktion beteiligt.[2][3]

Leben und Wirken

Er wurde als erstes Kind des Ingenieurs und späteren Berufsschullehrers Walther Koch (1907–1973) und dessen Ehefrau Anna Agnes Gertrud Koch, geb. Töpel (1907–1978), geboren. Seine jüngeren Geschwister sind der Physiker Eckhard Walter Koch (* 1940) und die Ärztin Gisela Ilse Bergmann, geb. Koch (* 1942). Die Familie ist in der Herrnhuter Brüdergemeine verwurzelt.

Koch besuchte von 1943 bis 1945 die Grundschule in Bad Schandau, danach bis 1951 die 34. Grundschule in Leipzig und anschließend bis 1955 die Leipziger Leibniz-Oberschule. Dort wurde er u. a. von Martin Kießig unterrichtet. Nach dem Abitur studierte er von 1955 bis 1962 Physik an der Karl-Marx-Universität.

Von 1962 bis 1968 war er als theoretischer Physiker an der Akademie der Wissenschaften der DDR in Leipzig tätig. Seine Dissertation hatte er 1968 bereits weitgehend abgeschlossen, konnte diese jedoch aufgrund seiner Inhaftierung nicht mehr einreichen.

Im Jahr 1972 wurde Koch von der DDR in die Bundesrepublik abgeschoben,[4] wo er an der Universität Essen Philosophie studierte. Ab 1973 bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2002 war er an der philosophischen Fakultät dieser Universität beschäftigt. Er promovierte 1982 bei Klaus Michael Meyer-Abich und Carl Friedrich von Weizsäcker zum Thema Nicht-klassischer Realismus: Die Quantentheorie als allgemeine Theorie objektivierender Erfahrung.[5]

Widerstandstätigkeit

Koch protestierte im Jahr 1968 vor der Leipziger Paulinerkirche gegen deren Sprengung.[2] Aus diesem Grund wurde er festgenommen und daraufhin von seinem Arbeitgeber, der Akademie der Wissenschaften der DDR, fristlos entlassen.

Kurz darauf konstruierte er gemeinsam mit seinem Bruder, dem Physiker Eckhard Koch, einen zeitgesteuerten Auslösemechanismus, der während der Abschlussveranstaltung des III. Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerbs in der Leipziger Kongresshalle am 20. Juni 1968 ein ca. 1,5 × 2,5 Meter großes Plakat mit der Forderung nach dem Wiederaufbau der Paulinerkirche entrollte.[4] Dieser Protest löste einen Skandal aus und wurde international beachtet.[3]

Erst knapp drei Jahre später gelang es dem Staatssicherheitsdienst der DDR, die Täter festzustellen, als sie durch Bernard Langfermann (IM „Boris Buch“), Stasi-Mann und Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins, denunziert worden waren.[6] Dietrich Koch wurde als Einziger für diese Tat verurteilt.[4]

Bereits 1969 hatte ihm Carl Friedrich von Weizsäcker Arbeit an seinem Institut und seine Unterstützung für eine legale Ausreise aus der DDR angeboten. Infolge dieses Kontakts wurde Koch zusätzlich wegen staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme, staatsfeindlicher Gruppenbildung, staatsfeindlichen Menschenhandels und Vorbereitung des „ungesetzlichen Grenzübertritts“ sowie „staatsfeindlicher Hetze“ angeklagt.[7] Er wurde zu einer zweieinhalbjährigen Haft und einer anschließenden unbegrenzten Einweisung in die Psychiatrie (Psychiatrisches Haftkrankenhaus Waldheim) verurteilt.

Das Urteil und das diesem zugrunde liegende Gutachten wurden nach dem Ende der DDR 1992 aufgehoben und von der sächsischen Untersuchungskommission als politischer Psychiatriemissbrauch klassifiziert und anerkannt.[8]

Veröffentlichungen

  • Nicht-klassischer Realismus: Die Quantentheorie als allgemeine Theorie objektivierender Erfahrung, Philosophische Dissertation, Universität Essen 1982.
  • Das Verhör: Zerstörung und Widerstand, Ch. Hille, Dresden 2001, 2 Bände und Dokumentenband, ISBN 3-932858-38-7.
  • mit Eckhard Koch: Denkschrift für den Wiederaufbau der Leipziger Universitätskirche St. Pauli, Ch. Hille, Dresden 2001.
  • Rede auf dem Leipziger Augustusplatz vom 30. Mai 2002[9]
  • Neugestaltung des Grundstücks der Universitätskirche, Offener Brief vom 8. Oktober 2003[10]
  • mit Eckhard Koch: Kulturkampf in Leipzig, Forum-Verlag Leipzig 2006, ISBN 3-931801-20-9.
  • Nicht geständig: Der Plakatprotest im Stasi-Verhör, Ch. Hille, Dresden 2006, ISBN 978-3-939025-06-1.
  • mit Eckhard Koch und Klaus-Jürgen Barth: Nicht geständig – Der Plakatprotest im Stasi-Verhör. Buchlesung und Hörfassung von Dietrich Koch und Eckhard Koch am 30. April 2010 in der Kirche St. Martin, Zwochau. 2 CDs mit Booklet. Pro Universitätskirche Leipzig e. V., Leipzig 2012. ISBN 978-3-00-039107-1.
  • Kritik an Stefan Welzk. Leipzig 1968. Aus der Erfahrung eines Stasihäftlings. Autobiografie 1968–1972. Ch. Hille, Dresden 2013, ISBN 978-3-939025-41-2.
  • Dietrich Koch: Das Plakat gegen die Sprengung der Universitätskirche Leipzig im Stasi-Verhör. In: Frank Hoffmann, Silke Flegel (Hrsg.): Fluchtpunkt NRW. Zeitzeugenberichte zur DDR-Geschichte (= Deutschland in Europa. Gesellschaft und Kultur), Bd. 3, LIT Verlag, Berlin 2016. ISBN 978-3-643-13382-3.

Mitgliedschaften (Auswahl)

  • Pro Universitätskirche e. V.
  • Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG)
  • Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie e. V. (GEP)[11]

Ehrung

  • 2019 – Memory of Nations Award des tschechischen Vereins Post Bellum[12][13]

Audio- und Video-Dokumentationen

  • Ceny Paměti národa 2019. (Video, 1:30 Stunden) In: ČT2. 17. November 2019; (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value), Ehrung für Dietrich Koch; 43:43 Min. bis 51:50 Min.).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Traueranzeige. Leipziger Volkszeitung vom 3. April 2020.
  2. 2,0 2,1 Die ganze action hat geprägt. In: bundesstiftung-aufarbeitung.de, aus dem Archiv abgerufen am 4. Oktober 2020.
  3. 3,0 3,1 Jens Blecher: Die Paulinerkirche und die Politik. In: Universitätsarchiv Leipzig, auf: uni-leipzig.de, aus dem Archiv abgerufen am 4. Oktober 2020.
  4. 4,0 4,1 4,2 Uta Schulz: Als die Stasi eine CIA-Verschwörung vermutete. In: Die Welt vom 4. April 2011, auf: welt.de
  5. Nicht-klassischer Realismus: Die Quantentheorie als allgemeine Theorie objektivierender Erfahrung, Philosophische Dissertation, Universität Essen 1982.
  6. Der Druck war unerträglich. In: Spiegel online vom 31. Mai 2010, auf: spiegel.de
  7. Dr. Dietrich Koch, auf: zeitzeugenbuero.de
  8. Dietrich Koch: Politische Sicherungsverwahrung. Psychiatriemißbrauch in der DDR. In: Der Stacheldraht, Nr. 4/2010, S. 8–9.
  9. Rede auf dem Leipziger Augustusplatz vom 30. Mai 2002, auf: paulinerverein.de (PDF-Datei; 68 kB)
  10. Offener Brief zur Neugestaltung des Grundstücks der Universitätskirche vom 8. Oktober 2003, auf: paulinerverein.de
  11. Dietrich Koch. In: Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie e. V., auf: psychiatrie-und-ethik.de
  12. Tschechische Ehrung für Verfolgten aus der DDR, auf: radio.cz
  13. Memory of Nations Awards, auf: cenypametinaroda.cz

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