Brans-Dicke-Theorie: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Brans-Dicke-Theorie''' (manchmal auch als '''Jordan-Brans-Dicke-Theorie''' bezeichnet) ist eine klassische [[Feldtheorie (Physik)|Feldtheorie]] und eine der einfachsten Erweiterungen der [[Allgemeine Relativitätstheorie|Allgemeinen Relativitätstheorie]] (ART). Sie wurde 1961 von [[Robert Henry Dicke]] und [[Carl H. Brans]] entwickelt,<ref name="BD61">{{Literatur | Autor = Carl Brans, Robert H. Dicke | Titel = Mach's Principle and a Relativistic Theory of Gravitation | Sammelwerk = Physical Review | Band = 124 | Seiten = 925–935 | DOI = 10.1103/PhysRev.124.925}}</ref> wobei sie frühere Arbeiten von [[Pascual Jordan]] benutzten. Sie ist der bekannteste und einfachste Vertreter der [[Skalar]]-[[Tensor]]-Theorien der [[Gravitation]], in denen die [[Raumzeitkrümmung]] von der [[Metrischer Tensor|Metrik]] der ART und ''zusätzlichen'' [[Skalarfeld]]ern generiert wird.
Die '''Brans-Dicke-Theorie''' (manchmal auch als '''Jordan-Brans-Dicke-Theorie''' bezeichnet) ist eine klassische [[Feldtheorie (Physik)|Feldtheorie]] und eine der einfachsten Erweiterungen der [[Allgemeine Relativitätstheorie|Allgemeinen Relativitätstheorie]] (ART). Sie wurde 1961 von [[Robert Henry Dicke]] und [[Carl H. Brans]] entwickelt,<ref name="BD61">{{Literatur |Autor=Carl Brans, Robert H. Dicke |Titel=Mach’s Principle and a Relativistic Theory of Gravitation |Sammelwerk=Physical Review |Band=124 |Datum= |Seiten=925–935 |DOI=10.1103/PhysRev.124.925}}</ref> wobei sie frühere Arbeiten von [[Pascual Jordan]] benutzten. Sie ist der bekannteste und einfachste Vertreter der [[Skalar]]-[[Tensor]]-Theorien der [[Gravitation]], in denen die [[Raumzeitkrümmung]] von der [[Metrischer Tensor|Metrik]] der ART und ''zusätzlichen'' [[Skalarfeld]]ern generiert wird.


Die Theorie enthält einen [[Freier Parameter|freien Parameter]] <math>\omega</math>, über den die Skalarfelder an die Krümmung koppeln.
Die Theorie enthält einen [[Freier Parameter|freien Parameter]] <math>\omega</math>, über den die Skalarfelder an die Krümmung koppeln.
Für <math>\omega \rightarrow \infty</math> nähert sich die Brans-Dicke-Theorie der ART bis zur Ununterscheidbarkeit an, so dass sie prinzipiell nicht von Experimenten [[Falsifizieren|falsifiziert]] werden kann. Präzisionsmessungen während der [[Cassini-Huygens]]-Mission haben jedoch den erlaubten Bereich auf <math>\omega > 40 \, 000</math> verschoben,<ref>Clifford M. Will, "The Confrontation between General Relativity and Experiment", Living Rev. Relativity 9, (2006),[http://relativity.livingreviews.org/Articles/lrr-2006-3/ online]</ref> was gegenüber den vorherigen stärksten Ergebnissen ein großer Schritt ist.
Für <math>\omega \rightarrow \infty</math> nähert sich die Brans-Dicke-Theorie der ART bis zur Ununterscheidbarkeit an, so dass sie prinzipiell nicht von Experimenten [[Falsifizieren|falsifiziert]] werden kann. Präzisionsmessungen während der [[Cassini-Huygens]]-Mission haben jedoch den erlaubten Bereich auf <math>\omega > 40 \, 000</math> verschoben,<ref>Clifford M. Will: ''The Confrontation between General Relativity and Experiment''. In: ''Living Rev. Relativity'', 9, 2006, {{Webarchiv |url=http://relativity.livingreviews.org/Articles/lrr-2006-3/ |wayback=20070613073754 |text=relativity.livingreviews.org |archiv-bot=2018-04-02 07:44:40 InternetArchiveBot}}</ref> was gegenüber den vorherigen stärksten Ergebnissen ein großer Schritt ist.
 
Brans und Dicke entwickelten das Modell auch, um eine Alternative zur Allgemeinen Relativitätstheorie zu haben, in der das [[Machsches Prinzip|Machsche Prinzip]] realisiert ist (das Skalarfeld wird über die Massen im Universum bestimmt).
 
Als metrische Gravitationstheorie erfüllt sie das Äquivalenzprinzip und sagt deshalb genauso wie die ART eine gravitative Rotverschiebung voraus.


== Definition ==
== Definition ==
Die [[Wirkung (Physik)|Wirkung]] <math>S</math> der Brans-Dicke-Theorie lautet:
Die [[Wirkung (Physik)|Wirkung]] <math>S</math> der Brans-Dicke-Theorie lautet:


:<math>S = \frac{1}{16 \, \pi}\int \mathrm{d}^4x \sqrt{-g} \left( \phi \, R - \omega \, \phi^{-1}\partial_{\mu}\phi \, \partial^{\mu}\phi \right) + S_\mathrm{M}</math>
: <math>S = \frac{1}{16 \, \pi}\int \mathrm{d}^4x \sqrt{-g} \left( \phi \, R - \omega \, \phi^{-1}\partial_{\mu}\phi \, \partial^{\mu}\phi \right) + S_\mathrm{M}</math>


Hierbei ist
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Im Unterschied zur ART, deren Wirkung gegeben ist durch:
Im Unterschied zur ART, deren Wirkung gegeben ist durch:


::<math>S_\text{ART} = \frac{1}{16 \, \pi}\int \mathrm{d}^4x \, \sqrt{-g} \, R + S_\mathrm{M}</math>
: <math>S_\text{ART} = \frac{1}{16 \, \pi}\int \mathrm{d}^4x \, \sqrt{-g} \, R + S_\mathrm{M}</math>


existiert das zusätzliche skalare Feld <math>\phi</math>.
existiert das zusätzliche skalare Feld <math>\phi</math>.
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Dies führt zu modifizierten [[Bewegungsgleichung]]en:
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:<math>\Box \phi = \frac{8 \, \pi}{3 + 2 \, \omega} \, T</math>
: <math>\Box \phi = \frac{8 \, \pi}{3 + 2 \, \omega} \, T</math>
:<math>\begin{align}
: <math>\begin{align}
G_\mathrm{ab} & := R_\mathrm{ab} - \frac{1}{2} R \, g_\mathrm{ab}\\
G_\mathrm{ab} & := R_\mathrm{ab} - \frac{1}{2} R \, g_\mathrm{ab}\\
& \;= \frac{8 \, \pi}{\phi} \, T_\mathrm{ab} + \frac{\omega}{\phi^2} \left( \partial_a \phi \, \partial_b \phi - \frac{1}{2} \, g_\mathrm{ab} \partial_c \phi \, \partial^c \phi \right) + \frac{1}{\phi} \, \left( \nabla_a \, \nabla_b \, \phi - g_\mathrm{ab}\, \Box \phi \right)
& \;= \frac{8 \, \pi}{\phi} \, T_\mathrm{ab} + \frac{\omega}{\phi^2} \left( \partial_a \phi \, \partial_b \phi - \frac{1}{2} \, g_\mathrm{ab} \partial_c \phi \, \partial^c \phi \right) + \frac{1}{\phi} \, \left( \nabla_a \, \nabla_b \, \phi - g_\mathrm{ab}\, \Box \phi \right)
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* <math>G_{ab}</math> ist der Einstein-Tensor, eine Art mittlere Krümmung
* <math>G_{ab}</math> ist der Einstein-Tensor, eine Art mittlere Krümmung
* <math>\Box</math> der [[Verallgemeinerter_Laplace-Operator #Laplace-Beltrami-Operator|Laplace–Beltrami-Operator]]
* <math>\Box</math> der [[Verallgemeinerter Laplace-Operator #Laplace-Beltrami-Operator|Laplace–Beltrami-Operator]]
* <math>R_{ab}</math> der [[Riemannscher Krümmungstensor #Ricci-Tensor|Ricci-Tensor]]
* <math>R_{ab}</math> der [[Riemannscher Krümmungstensor #Ricci-Tensor|Ricci-Tensor]]
* <math>T_\mathrm{ab}</math> der [[Energie-Impuls-Tensor]]
* <math>T_\mathrm{ab}</math> der [[Energie-Impuls-Tensor]]
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Laut der ersten Gleichung stellt ''T'' eine Quelle für das Skalarfeld <math>\phi</math> dar, welches, wie in der zweiten Gleichung ersichtlich, zur Krümmung beiträgt. Dies unterscheidet die Theorie von der ART, deren Bewegungsgleichungen gegeben sind durch:
Laut der ersten Gleichung stellt ''T'' eine Quelle für das Skalarfeld <math>\phi</math> dar, welches, wie in der zweiten Gleichung ersichtlich, zur Krümmung beiträgt. Dies unterscheidet die Theorie von der ART, deren Bewegungsgleichungen gegeben sind durch:


::<math>G_\mathrm{ab, ART} = 8 \, \pi \, T_\mathrm{ab}</math>
: <math>G_\mathrm{ab, ART} = 8 \, \pi \, T_\mathrm{ab}</math>


Diese Modifikation führt zu veränderten Vorhersagen für bestimmte Gravitationseffekte, wie z.&nbsp;B. die [[Gravitationslinseneffekt|Lichtablenkung durch massive Körper]] oder die [[Periheldrehung]] der [[Planet]]en. Durch Experimente konnten daher die erlaubten Werte für die [[Kopplungskonstante]] <math>\omega</math>, die als freier Parameter gewählt werden kann und die die Größe der Abweichungen zu den Vorhersagen der ART kontrolliert, stark in Richtung immer geringerer Abweichungen zur ART eingeschränkt werden.
Diese Modifikation führt zu veränderten Vorhersagen für bestimmte Gravitationseffekte, wie z.&nbsp;B. die [[Gravitationslinseneffekt|Lichtablenkung durch massive Körper]] oder die [[Periheldrehung]] der [[Planet]]en. Durch Experimente konnten daher die erlaubten Werte für die [[Kopplungskonstante]] <math>\omega</math>, die als freier Parameter gewählt werden kann und die die Größe der Abweichungen zu den Vorhersagen der ART kontrolliert, stark in Richtung immer geringerer Abweichungen zur ART eingeschränkt werden.
== Literatur ==
* [[Pascual Jordan]]: ''Schwerkraft und Weltall''. Vieweg, Braunschweig 1955
* C. H. Brans: ''The roots of scalar-tensor theory: an approximate history''. {{arXiv|gr-qc/0506063}}
* C. Misner, [[Kip Thorne|K. Thorne]], [[John Archibald Wheeler|J. A. Wheeler]]: ''Gravitation''. W. H. Freeman, San Francisco 1973, ISBN 0-7167-0344-0 (speziell Kasten 39.1)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
<references />
 
== Literatur ==
* [[Pascual Jordan]]: ''Schwerkraft und Weltall'', Vieweg, Braunschweig 1955
* C. H. Brans: ''The roots of scalar-tensor theory: an approximate history'', [http://www.arxiv.org/abs/gr-qc/0506063 gr-qc/0506063]
* C. Misner, [[Kip Thorne|K. Thorne]], [[John Archibald Wheeler|J. A. Wheeler]]: ''Gravitation'', W. H. Freeman, San Francisco 1973, ISBN 0-7167-0344-0. (speziell Kasten 39.1)


[[Kategorie:Allgemeine Relativitätstheorie]]
[[Kategorie:Allgemeine Relativitätstheorie]]

Aktuelle Version vom 17. Oktober 2019, 18:01 Uhr

Die Brans-Dicke-Theorie (manchmal auch als Jordan-Brans-Dicke-Theorie bezeichnet) ist eine klassische Feldtheorie und eine der einfachsten Erweiterungen der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART). Sie wurde 1961 von Robert Henry Dicke und Carl H. Brans entwickelt,[1] wobei sie frühere Arbeiten von Pascual Jordan benutzten. Sie ist der bekannteste und einfachste Vertreter der Skalar-Tensor-Theorien der Gravitation, in denen die Raumzeitkrümmung von der Metrik der ART und zusätzlichen Skalarfeldern generiert wird.

Die Theorie enthält einen freien Parameter $ \omega $, über den die Skalarfelder an die Krümmung koppeln. Für $ \omega \rightarrow \infty $ nähert sich die Brans-Dicke-Theorie der ART bis zur Ununterscheidbarkeit an, so dass sie prinzipiell nicht von Experimenten falsifiziert werden kann. Präzisionsmessungen während der Cassini-Huygens-Mission haben jedoch den erlaubten Bereich auf $ \omega >40\,000 $ verschoben,[2] was gegenüber den vorherigen stärksten Ergebnissen ein großer Schritt ist.

Brans und Dicke entwickelten das Modell auch, um eine Alternative zur Allgemeinen Relativitätstheorie zu haben, in der das Machsche Prinzip realisiert ist (das Skalarfeld wird über die Massen im Universum bestimmt).

Als metrische Gravitationstheorie erfüllt sie das Äquivalenzprinzip und sagt deshalb genauso wie die ART eine gravitative Rotverschiebung voraus.

Definition

Die Wirkung $ S $ der Brans-Dicke-Theorie lautet:

$ S={\frac {1}{16\,\pi }}\int \mathrm {d} ^{4}x{\sqrt {-g}}\left(\phi \,R-\omega \,\phi ^{-1}\partial _{\mu }\phi \,\partial ^{\mu }\phi \right)+S_{\mathrm {M} } $

Hierbei ist

  • g die Metrik
  • R die Spur des Ricci-Tensors
  • $ \omega $ ein dimensionsloser Parameter
  • $ \phi $ ein skalares Feld
  • $ S_{\mathrm {M} } $ die Wirkung der Materiefelder, die als unabhängig von $ \phi $ angenommen wird.

Im Unterschied zur ART, deren Wirkung gegeben ist durch:

$ S_{\text{ART}}={\frac {1}{16\,\pi }}\int \mathrm {d} ^{4}x\,{\sqrt {-g}}\,R+S_{\mathrm {M} } $

existiert das zusätzliche skalare Feld $ \phi $.

Dies führt zu modifizierten Bewegungsgleichungen:

$ \Box \phi ={\frac {8\,\pi }{3+2\,\omega }}\,T $
$ {\begin{aligned}G_{\mathrm {ab} }&:=R_{\mathrm {ab} }-{\frac {1}{2}}R\,g_{\mathrm {ab} }\\&\;={\frac {8\,\pi }{\phi }}\,T_{\mathrm {ab} }+{\frac {\omega }{\phi ^{2}}}\left(\partial _{a}\phi \,\partial _{b}\phi -{\frac {1}{2}}\,g_{\mathrm {ab} }\partial _{c}\phi \,\partial ^{c}\phi \right)+{\frac {1}{\phi }}\,\left(\nabla _{a}\,\nabla _{b}\,\phi -g_{\mathrm {ab} }\,\Box \phi \right)\end{aligned}} $

mit

  • $ G_{ab} $ ist der Einstein-Tensor, eine Art mittlere Krümmung
  • $ \Box $ der Laplace–Beltrami-Operator
  • $ R_{ab} $ der Ricci-Tensor
  • $ T_{\mathrm {ab} } $ der Energie-Impuls-Tensor
  • T seine Spur.

Laut der ersten Gleichung stellt T eine Quelle für das Skalarfeld $ \phi $ dar, welches, wie in der zweiten Gleichung ersichtlich, zur Krümmung beiträgt. Dies unterscheidet die Theorie von der ART, deren Bewegungsgleichungen gegeben sind durch:

$ G_{\mathrm {ab,ART} }=8\,\pi \,T_{\mathrm {ab} } $

Diese Modifikation führt zu veränderten Vorhersagen für bestimmte Gravitationseffekte, wie z. B. die Lichtablenkung durch massive Körper oder die Periheldrehung der Planeten. Durch Experimente konnten daher die erlaubten Werte für die Kopplungskonstante $ \omega $, die als freier Parameter gewählt werden kann und die die Größe der Abweichungen zu den Vorhersagen der ART kontrolliert, stark in Richtung immer geringerer Abweichungen zur ART eingeschränkt werden.

Literatur

  • Pascual Jordan: Schwerkraft und Weltall. Vieweg, Braunschweig 1955
  • C. H. Brans: The roots of scalar-tensor theory: an approximate history. arxiv:gr-qc/0506063
  • C. Misner, K. Thorne, J. A. Wheeler: Gravitation. W. H. Freeman, San Francisco 1973, ISBN 0-7167-0344-0 (speziell Kasten 39.1)

Einzelnachweise

  1. Carl Brans, Robert H. Dicke: Mach’s Principle and a Relativistic Theory of Gravitation. In: Physical Review. Band 124, S. 925–935, doi:10.1103/PhysRev.124.925.
  2. Clifford M. Will: The Confrontation between General Relativity and Experiment. In: Living Rev. Relativity, 9, 2006, relativity.livingreviews.org (Memento des Originals vom 13. Juni 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/relativity.livingreviews.org

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