Aharonov-Bohm-Effekt: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''Aharonov-Bohm-Effekt''' (nach [[David Bohm]] und [[Yakir Aharonov]]) ist ein [[Quantenmechanik|quantenmechanisches]] Phänomen, bei dem ein Magnetfeld <math>\vec B</math> die [[Interferenz (Physik)|Interferenz]] von Elektronenstrahlen beeinflusst, obwohl diese sich nicht im klassisch zu erwartenden Einflussbereich von <math>\vec B</math> befinden. Hauptursache des Effekts ist, dass die Beeinflussung durch das magnetische [[Vektorpotential]] erfolgt, und nicht durch das Magnetfeld selbst.
Der '''Aharonov-Bohm-Effekt''' (nach [[David Bohm]] und [[Yakir Aharonov]]) ist ein [[quantenmechanisch]]es Phänomen, bei dem ein [[Magnetfeld]] <math>\vec B</math> die [[Interferenz (Physik)|Interferenz]] von [[Elektronenstrahl]]en beeinflusst, obwohl diese sich nicht im [[klassische Physik|klassisch]] zu erwartenden Einflussbereich von <math>\vec B</math> befinden. Hauptursache des Effekts ist, dass die Beeinflussung durch das magnetische [[Vektorpotential]] erfolgt und nicht durch das Magnetfeld selbst.


Der Aharonov-Bohm-Effekt wurde vom Magazin [[New Scientist]] als eines der Sieben Wunder in der Quantenwelt ausgewählt.
Der Aharonov-Bohm-Effekt wurde vom Magazin [[New Scientist]] als eines der Sieben Wunder in der Quantenwelt ausgewählt.<ref>
<ref>
[https://www.newscientist.com/round-up/seven-wonders-of-the-quantum-world Seven wonders of the quantum world],
[http://www.newscientist.com/special/seven-wonders-of-the-quantum-world Seven wonders of the quantum world],
newscientist.com</ref>
newscientist.com
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Aharonov und Bohm veröffentlichten ihre Arbeit 1959. [[Werner Ehrenberg]] und [[Raymond E. Siday]] konnten den Effekt jedoch bereits 1949 voraussagen <ref>Ehrenberg, Siday ''The Refractive Index in Electron Optics and the Principles of Dynamics'', Proceedings of the Physical Society B, Band 62, 1949, S. 8–21. Aharonov und Bohm erfuhren erst nach ihrer Veröffentlichung von dieser Arbeit und wiesen in ihrem Aufsatz von 1961 darauf hin.</ref>. Offenbar hat aber [[Walter Franz (Physiker)|Walter Franz]] den Effekt bereits 1939 - also 20 Jahre vor Aharonov und Bohm - in einem Seminar der Physikalischen Gesellschaft, Gauverein Ostland in Danzig vorgestellt.<ref>HILEY, B. J. (2013): ''The Early History of the Aharonov-Bohm Effect''. {{arXiv|1304.4736}}.</ref>
Aharonov und Bohm veröffentlichten ihre Arbeit 1959. [[Werner Ehrenberg]] und [[Raymond E. Siday]] konnten den Effekt jedoch bereits&nbsp;1949 voraussagen<ref>Ehrenberg, Siday ''The Refractive Index in Electron Optics and the Principles of Dynamics'', Proceedings of the Physical Society B, Band 62, 1949, S. 8–21. Aharonov und Bohm erfuhren erst nach ihrer Veröffentlichung von dieser Arbeit und wiesen in ihrem Aufsatz von 1961 darauf hin.</ref>. Offenbar hat aber [[Walter Franz (Physiker)|Walter Franz]] den Effekt bereits&nbsp;1939 also 20&nbsp;Jahre vor Aharonov und Bohm in einem Seminar der [[Deutsche Physikalische Gesellschaft|Physikalischen Gesellschaft]], Gauverein Ostland in Danzig vorgestellt.<ref>HILEY, B. J. (2013): ''The Early History of the Aharonov-Bohm Effect''. {{arXiv|1304.4736}}.</ref>
 
== Experiment ==
[[Datei:Aharonov-bohm.png|miniatur|300px|Schematische Darstellung des Experiments. Die Elektronen passieren zwei Spalte und bilden ein [[Interferenzmuster]] auf dem Beobachtungsschirm. Dieses Interferenzmuster ändert sich, je nachdem ob das Magnetfeld ein- oder ausgeschaltet ist.]]
 
Im Experiment laufen [[elektrische Ladung|geladene]] Teilchen ([[Elektron]]en) auf verschiedenen Seiten an einem Zylinder vorbei, in dem ein Magnetfeld <math>B</math> herrscht.<ref>[http://www.wissenschaft-online.de/lexika/images/physik/fff160.jpg Typische Versuchsanordnung]</ref> Der Zylinder ist von einer Wand umgeben, die von den Teilchen nicht durchdrungen werden kann; außerhalb ist das Magnetfeld Null. Trotzdem hängt der Ausgang des Experiments davon ab, ob das Magnetfeld ein- oder ausgeschaltet ist, denn das Vektorpotential <math>\vec A</math> ist im ersten Fall auch außerhalb des Zylinders vorhanden. Man stelle sich hierbei ein radial verlaufendes Vektorpotential vor. Dessen Rotation <math>\mathrm{rot} \, \vec{A}</math> und damit das Magnetfeld ist außerhalb des Zylinders Null, dennoch ist das Vektorpotential selbst nirgends Null.
 
Die [[Superposition (Physik)|Superposition]] der [[Wellenfunktion]]en hinter dem Zylinder ergibt ein Interferenzmuster,<ref>{{Webarchiv|text=Typische Verschiebung des Interferenzmusters |url=http://www.quantum.physik.uni-mainz.de/lectures/2005/ss05_quantenphysik/AharonovBohm.pdf |wayback=20160426015306}} (pdf; 26&nbsp;kB)</ref> das vom Vektorpotential beeinflusst wird, da die Wellenfunktionen auf Wegen rechts und links des Zylinders eine unterschiedliche [[Phasenverschiebung]] erhalten.
 
Experimente dieser Art wurden Anfang der 1960er&nbsp;Jahre u.&nbsp;a. von [[Gottfried Möllenstedt|Möllenstedt]] und [[Robert G. Chambers]]<ref>Chambers ''Shift of an Electron Interference Pattern by Enclosed Magnetic Flux'', Physical Review Letters, Band 5 1960, S. 3–5</ref> durchgeführt.


== Theorie ==
== Theorie ==
In der Quantenmechanik beschreibt man (bei Benutzung von [[CGS-Einheitensystem|cgs-Einheiten]])&nbsp;<ref>bei der Formulierung im [[SI-Einheitensystem]] ist in den Formeln ''c'' durch ''1'' zu ersetzen</ref>&nbsp;  das Verhalten eines geladenen Teilchens im [[Magnetismus|Magnetfeld]] durch folgenden [[Hamilton-Operator]]
Klassisch erfolgt die Beeinflussung eines geladenen Teilchens im [[Magnetismus|Magnetfeld]] durch die [[Lorentzkraft]] des Magnetfeldes, nach der [[Bewegungsgleichung]]:<ref>Hier wird das [[Internationales Einheitensystem|SI-System]] verwendet; im [[CGS-Einheitensystem|CGS-System]] müsste durchgehend <math>q\vec{A}</math> und <math>q\vec{B}</math> durch <math>q\vec{A}/c</math> und <math>q\vec{B}/c</math> ersetzt werden.</ref>


:<math>H = \frac{1}{2 m}\left(\vec p-\frac qc\vec A(\vec r,t)\right)^2 + q \Phi(\vec r,t).</math>
:<math>m \, \vec a = q \cdot \left( \vec v\times \vec B + \vec E \right)</math>


Die Variablen sind hierbei Ladung des Teilchens ''q'', kanonischer [[Impulsoperator]] <math>\vec p=\frac \hbar i\vec\nabla</math> (und der kinetische Impulsoperator <math>\vec \Pi = \vec p - \tfrac qc\vec A(\vec r,t) </math>), Vektorpotential <math>\vec A</math>, [[Skalarpotential]] <math>\Phi</math>, Zeit ''t'', Ort <math>\vec r</math> und Masse des Teilchens ''m''.
mit
* der Masse <math>m</math> des Teilchens
* seiner [[Beschleunigung]] <math>\vec a</math>
* seiner elektrischen Ladung <math>q</math>
* seiner Geschwindigkeit <math>\vec v</math>
* der [[Magnetische Flussdichte|magnetischen Flussdichte]] <math>\vec B</math>
* dem [[Vektorprodukt]] <math>\times</math>.


Klassisch dagegen erfolgt die Beeinflussung durch die sog. [[Lorentzkraft]] des Magnetfeldes, nach der Bewegungsgleichung
Klassisch ist ein Effekt also nur dort zu erwarten, wo das Magnetfeld <math>\vec B</math> von Null verschieden ist (abgesehen vom [[elektrisches Feld|elektrischen Feld]] <math>\vec E</math>, das hier unwesentlich ist).
:<math>m\vec a=q \cdot (\vec v\times \vec B/c +\vec E)</math>
wobei <math>\vec v</math> bzw. <math>\vec a</math> Geschwindigkeit bzw. Beschleunigung des Teilchens sind und <math>\times</math> das [[Vektorprodukt]] bedeutet. Klassisch ist also ein Effekt nur dort zu erwarten, wo das Magnetfeld <math> \vec B</math> selbst von Null verschieden ist (abgesehen vom elektrischen Feld <math>\vec E</math>, das hier unwesentlich ist, ebenso wie das elektrische Potential <math>\Phi</math>).


Vektorpotential <math>\vec A</math> und Magnetfeld <math>\vec B</math> hängen durch den mathematischen Begriff der [[Rotation (Mathematik)|Rotation]] zusammen:
In der Quantenmechanik dagegen beschreibt man das Verhalten des Teilchens durch den [[Hamilton-Operator]]:


:<math>\vec{B} = \mathrm{rot}\,\vec{A} := \vec{\nabla}\times\vec{A}\quad\quad\,\,\,\,\, (*)</math>
:<math>H = \frac 1{2 m} \left( \vec p - q\vec A(\vec r,t) \right)^2 + q \, \Phi(\vec r,t).</math>


Das Vektorpotential <math>\vec A</math> ist dadurch generell nur bis auf den Gradienten <math>\vec\nabla f</math> einer beliebigen skalaren Funktion <math> f</math> bestimmt, da die Rotation eines Gradientenfeldes für zweifach stetig differenzierbare skalare Felder verschwindet (siehe [[Eichtransformation]]). Das Symbol (*) soll die obige Gleichung für spätere Zwecke nummerieren.
mit
* dem kanonischen [[Impulsoperator]] <math>\vec p=\tfrac \hbar i\vec\nabla</math>
* dem kinetischen Impulsoperator <math>\vec \Pi = \vec p - q\vec A(\vec r,t)</math>
* dem Vektorpotential <math>\vec A</math>
* dem Ort <math>\vec r</math>
* der Zeit&nbsp;''t''
* dem [[Skalarpotential|skalaren]] [[elektrisches Potential|elektrischen Potential]] <math>\Phi</math>, das hier unwesentlich ist.


== Experiment ==
Vektorpotential <math>\vec A</math> und Magnetfeld <math>\vec B</math> hängen durch den [[Rotation (Mathematik)|Rotationsoperator]] zusammen:
[[Datei:Aharonov-bohm.png|miniatur|300px|Schematische Darstellung des Experiments. Die Elektronen passieren zwei Spalte und bilden ein Interferenzmuster auf dem Beobachtungsschirm. Dieses Interferenzmuster ändert sich, je nachdem ob das Magnetfeld ein- oder ausgeschaltet ist.]]
:<math>\vec{B} = \mathrm{rot} \, \vec{A} := \vec{\nabla}\times\vec{A}</math>


Im Experiment laufen geladene Teilchen (Elektronen) auf verschiedenen Seiten an einem Zylinder vorbei, in dem ein Magnetfeld <math>B</math> herrscht <ref>[http://www.wissenschaft-online.de/lexika/images/physik/fff160.jpg Typische Versuchsanordnung]</ref>. Der Zylinder ist von einer Wand umgeben, die von den Teilchen nicht durchdrungen werden kann; außerhalb ist das Magnetfeld Null. Trotzdem hängt der Ausgang des Experiments davon ab, ob das Magnetfeld ein- oder ausgeschaltet ist, denn das Vektorpotential <math>\vec A</math> ist im ersten Fall auch außerhalb des Zylinders vorhanden. Man stelle sich hierbei ein radial verlaufendes Vektorpotential vor. Dessen Rotation <math>\mathrm{rot}\,\vec{A}</math> und damit das Magnetfeld <math>\vec B</math> ist außerhalb des Zylinders Null, dennoch ist <math>\vec A</math> nirgends Null.
Das Vektorpotential <math>\vec A</math> ist dadurch generell nur bis auf den [[Gradient (Mathematik)|Gradienten]] <math>\vec \nabla f</math> einer beliebigen [[Skalare Funktion|skalaren Funktion]] <math>f</math> bestimmt, da die Rotation eines [[Gradientenfeld]]es für zweifach [[Differenzierbarkeit #Stetige_Differenzierbarkeit_und_höhere_Ableitungen|stetig differenzierbare]] skalare Felder verschwindet (siehe [[Eichtransformation]]).


Die [[Superposition (Physik)|Superposition]] der Wellenfunktionen hinter dem Zylinder ergibt ein Interferenzmuster<ref>[http://www.quantum.physik.uni-mainz.de/lectures/2005/ss05_quantenphysik/AharonovBohm.pdf Typische Verschiebung des Interferenzmusters] (pdf; 26&nbsp;kB)</ref>, das vom Vektorpotential beeinflusst wird, da die Wellenfunktionen auf Wegen rechts und links des Zylinders eine unterschiedliche Phasenverschiebung erhalten. Mathematisch rührt dies daher, dass die Rotation des Vektorpotentials – also das Magnetfeld – zwar gleich Null ist, aber wegen des [[Einfach_zusammenhängend#Einfach_zusammenh.C3.A4ngend|nicht einfach zusammenhängenden]] Raumes (der Zylinderinnenraum ist das Loch im Raum) in der Berechnung auftretende [[Kurvenintegral|Wegintegral]]e über geschlossene Kurven nicht verschwinden, und somit ein Nettoeffekt übrig bleibt.
== Interpretation ==
Experimentell wurde dieser Effekt Anfang der 1960er Jahre u.&nbsp;a. von [[Gottfried Möllenstedt|Möllenstedt]] und [[Robert G. Chambers]]<ref>Chambers ''Shift of an Electron Interference Pattern by Enclosed Magnetic Flux'', Physical Review Letters, Band 5 1960, S. 3–5</ref> nachgewiesen.
Manchmal wird aus dem Effekt der Schluss gezogen, dass das Vektorpotential in der Quantenmechanik eine fundamentalere Bedeutung habe als das zugehörige [[Kraftfeld]]. Das trifft jedoch nicht das Wesentliche: Letztlich ist der [[magnetischer Fluss|magnetische Fluss]] <math>\Phi_B</math> entscheidend, der  durch ein [[Kurvenintegral]] ausgedrückt werden kann:


== Interpretation ==
:<math> \Phi_B(F) = \oint_{\,\Gamma} \vec A\cdot \mathrm{d}\vec r</math>
Manchmal wird aus dem Effekt der Schluss gezogen, dass das Vektorpotential in der Quantenmechanik eine fundamentalere Bedeutung habe als das zugehörige Kraftfeld. Das trifft nicht das Wesentliche: Letztlich ist der magnetische Fluss <math>\Phi_B</math> entscheidend. Dieser kann durch ein Kurvenintegral ausgedrückt werden, wobei sich der Integrationsweg <math>\Gamma</math> außerhalb des Bereiches mit <math>\vec B\ne 0</math> befinden darf. Es gilt jedenfalls
 
:<math>
Der Integrationsweg <math>\Gamma</math> muss [[Kurve_(Mathematik) #Geschlossene_Kurven|geschlossen]] sein, was durch den Kreis im Integrationssymbol angedeutet wird, darf sich aber außerhalb des Bereiches mit <math>\vec B\ne 0</math> befinden.  
\Phi_B(F)=\oint_\Gamma \vec A\cdot \mathrm{d}\vec r
</math>
wobei <math>\Gamma</math> geschlossen sein muss, was durch den Kreis im Integrationssymbol angedeutet wird. Damit handelt es sich um eine [[Eichinvarianz|eichinvariante]] Größe, d.&nbsp;h. diese ist nicht von der oben erwähnten Funktion <math> f </math> abhängig. Die geschlossene Kurve <math>\Gamma</math> ist der Rand der Fläche ''F'': <math>\Gamma=\partial F</math>.


Nach dem [[Satz von Stokes]]
Nach dem [[Satz von Stokes]]
:<math>
:<math>\oint_{\,\Gamma}\vec A \cdot \mathrm{d}\vec r = \iint_F (\operatorname{rot} \vec A) \cdot \vec n \, \mathrm{d}^2a</math>
\oint_\Gamma \vec A\cdot \mathrm{d}\vec r =\iint_F\mathrm{rot}\,\vec A\cdot \vec n \,\,\, \mathrm{d}^2a
 
</math>
mit
ist dieses Linienintegral über die geschlossene Kurve <math>\Gamma</math> wegen Gleichung (*) identisch mit dem Fluss der magnetischen Feldstärke durch die eingeschlossene Fläche ''F'' &nbsp; (<math>\vec n</math> ist der Normalenvektor auf der Fläche und <math>d^2a</math> das zweidimensionale Flächenelement). Die Eichfreiheit hängt damit zusammen, dass in eine geschlossene Kurve <math>\Gamma</math> ''verschiedene'' Flächen ''F'' eingespannt werden können, die alle von <math>\Gamma</math> berandet werden.
* dem [[Normalenvektor]] <math>\vec n</math> auf der Fläche
* dem zweidimensionalen Flächenelement <math>\mathrm d^2a</math>.
 
ist das Linienintegral über die geschlossene Kurve <math>\Gamma</math> identisch mit dem Fluss der [[magnetische Flussdichte|magnetischen Flussdichte]] <math>B</math> durch die eingeschlossene Fläche <math>F</math>:
 
:<math>\oint_{\,\Gamma} \vec A \cdot \mathrm{d}\vec r = \iint_F \vec B \cdot \vec n \, \mathrm{d}^2a</math>
 
Insbesondere zeigt der Satz von Stokes, weswegen die gewählte Eichung des Vektorpotentials irrelevant ist, da das Kurvenintegral über <math>\vec A</math> als Flächenintegral über <math>\operatorname{rot}\vec A</math> geschrieben werden kann und die Rotation des zur Eichung verwendeten Gradientenfeldes verschwindet.


Man kann den Effekt auch als Folge der nichttrivialen Topologie des Eichfeldes interpretieren.<ref>[https://www.encyclopediaofmath.org/index.php/Bohm-Aharonov_effect C. Nash, Bohm-Aharonov Effect, Encyclopedia of Mathematics, Springer]</ref>
Man kann den Effekt als Folge der nichttrivialen Topologie des Eichfeldes interpretieren:<ref>[https://www.encyclopediaofmath.org/index.php/Bohm-Aharonov_effect C. Nash, Bohm-Aharonov Effect, Encyclopedia of Mathematics, Springer]</ref> Wegen des ''nicht'' [[Einfach zusammenhängend #Einfach zusammenhängend|einfach zusammenhängenden]] Raumes (der Zylinderinnenraum ist "ein Loch im Raum") verschwinden auch die Wegintegrale über geschlossene Kurven ''nicht'' (notwendigerweise).


== Literatur ==
== Literatur ==

Aktuelle Version vom 22. Januar 2022, 09:43 Uhr

Der Aharonov-Bohm-Effekt (nach David Bohm und Yakir Aharonov) ist ein quantenmechanisches Phänomen, bei dem ein Magnetfeld $ {\vec {B}} $ die Interferenz von Elektronenstrahlen beeinflusst, obwohl diese sich nicht im klassisch zu erwartenden Einflussbereich von $ {\vec {B}} $ befinden. Hauptursache des Effekts ist, dass die Beeinflussung durch das magnetische Vektorpotential erfolgt und nicht durch das Magnetfeld selbst.

Der Aharonov-Bohm-Effekt wurde vom Magazin New Scientist als eines der Sieben Wunder in der Quantenwelt ausgewählt.[1]

Aharonov und Bohm veröffentlichten ihre Arbeit 1959. Werner Ehrenberg und Raymond E. Siday konnten den Effekt jedoch bereits 1949 voraussagen[2]. Offenbar hat aber Walter Franz den Effekt bereits 1939 – also 20 Jahre vor Aharonov und Bohm – in einem Seminar der Physikalischen Gesellschaft, Gauverein Ostland in Danzig vorgestellt.[3]

Experiment

Schematische Darstellung des Experiments. Die Elektronen passieren zwei Spalte und bilden ein Interferenzmuster auf dem Beobachtungsschirm. Dieses Interferenzmuster ändert sich, je nachdem ob das Magnetfeld ein- oder ausgeschaltet ist.

Im Experiment laufen geladene Teilchen (Elektronen) auf verschiedenen Seiten an einem Zylinder vorbei, in dem ein Magnetfeld $ B $ herrscht.[4] Der Zylinder ist von einer Wand umgeben, die von den Teilchen nicht durchdrungen werden kann; außerhalb ist das Magnetfeld Null. Trotzdem hängt der Ausgang des Experiments davon ab, ob das Magnetfeld ein- oder ausgeschaltet ist, denn das Vektorpotential $ {\vec {A}} $ ist im ersten Fall auch außerhalb des Zylinders vorhanden. Man stelle sich hierbei ein radial verlaufendes Vektorpotential vor. Dessen Rotation $ \mathrm {rot} \,{\vec {A}} $ und damit das Magnetfeld ist außerhalb des Zylinders Null, dennoch ist das Vektorpotential selbst nirgends Null.

Die Superposition der Wellenfunktionen hinter dem Zylinder ergibt ein Interferenzmuster,[5] das vom Vektorpotential beeinflusst wird, da die Wellenfunktionen auf Wegen rechts und links des Zylinders eine unterschiedliche Phasenverschiebung erhalten.

Experimente dieser Art wurden Anfang der 1960er Jahre u. a. von Möllenstedt und Robert G. Chambers[6] durchgeführt.

Theorie

Klassisch erfolgt die Beeinflussung eines geladenen Teilchens im Magnetfeld durch die Lorentzkraft des Magnetfeldes, nach der Bewegungsgleichung:[7]

$ m\,{\vec {a}}=q\cdot \left({\vec {v}}\times {\vec {B}}+{\vec {E}}\right) $

mit

  • der Masse $ m $ des Teilchens
  • seiner Beschleunigung $ {\vec {a}} $
  • seiner elektrischen Ladung $ q $
  • seiner Geschwindigkeit $ {\vec {v}} $
  • der magnetischen Flussdichte $ {\vec {B}} $
  • dem Vektorprodukt $ \times $.

Klassisch ist ein Effekt also nur dort zu erwarten, wo das Magnetfeld $ {\vec {B}} $ von Null verschieden ist (abgesehen vom elektrischen Feld $ {\vec {E}} $, das hier unwesentlich ist).

In der Quantenmechanik dagegen beschreibt man das Verhalten des Teilchens durch den Hamilton-Operator:

$ H={\frac {1}{2m}}\left({\vec {p}}-q{\vec {A}}({\vec {r}},t)\right)^{2}+q\,\Phi ({\vec {r}},t). $

mit

  • dem kanonischen Impulsoperator $ {\vec {p}}={\tfrac {\hbar }{i}}{\vec {\nabla }} $
  • dem kinetischen Impulsoperator $ {\vec {\Pi }}={\vec {p}}-q{\vec {A}}({\vec {r}},t) $
  • dem Vektorpotential $ {\vec {A}} $
  • dem Ort $ {\vec {r}} $
  • der Zeit t
  • dem skalaren elektrischen Potential $ \Phi $, das hier unwesentlich ist.

Vektorpotential $ {\vec {A}} $ und Magnetfeld $ {\vec {B}} $ hängen durch den Rotationsoperator zusammen:

$ {\vec {B}}=\mathrm {rot} \,{\vec {A}}:={\vec {\nabla }}\times {\vec {A}} $

Das Vektorpotential $ {\vec {A}} $ ist dadurch generell nur bis auf den Gradienten $ {\vec {\nabla }}f $ einer beliebigen skalaren Funktion $ f $ bestimmt, da die Rotation eines Gradientenfeldes für zweifach stetig differenzierbare skalare Felder verschwindet (siehe Eichtransformation).

Interpretation

Manchmal wird aus dem Effekt der Schluss gezogen, dass das Vektorpotential in der Quantenmechanik eine fundamentalere Bedeutung habe als das zugehörige Kraftfeld. Das trifft jedoch nicht das Wesentliche: Letztlich ist der magnetische Fluss $ \Phi _{B} $ entscheidend, der durch ein Kurvenintegral ausgedrückt werden kann:

$ \Phi _{B}(F)=\oint _{\,\Gamma }{\vec {A}}\cdot \mathrm {d} {\vec {r}} $

Der Integrationsweg $ \Gamma $ muss geschlossen sein, was durch den Kreis im Integrationssymbol angedeutet wird, darf sich aber außerhalb des Bereiches mit $ {\vec {B}}\neq 0 $ befinden.

Nach dem Satz von Stokes

$ \oint _{\,\Gamma }{\vec {A}}\cdot \mathrm {d} {\vec {r}}=\iint _{F}(\operatorname {rot} {\vec {A}})\cdot {\vec {n}}\,\mathrm {d} ^{2}a $

mit

  • dem Normalenvektor $ {\vec {n}} $ auf der Fläche
  • dem zweidimensionalen Flächenelement $ \mathrm {d} ^{2}a $.

ist das Linienintegral über die geschlossene Kurve $ \Gamma $ identisch mit dem Fluss der magnetischen Flussdichte $ B $ durch die eingeschlossene Fläche $ F $:

$ \oint _{\,\Gamma }{\vec {A}}\cdot \mathrm {d} {\vec {r}}=\iint _{F}{\vec {B}}\cdot {\vec {n}}\,\mathrm {d} ^{2}a $

Insbesondere zeigt der Satz von Stokes, weswegen die gewählte Eichung des Vektorpotentials irrelevant ist, da das Kurvenintegral über $ {\vec {A}} $ als Flächenintegral über $ \operatorname {rot} {\vec {A}} $ geschrieben werden kann und die Rotation des zur Eichung verwendeten Gradientenfeldes verschwindet.

Man kann den Effekt als Folge der nichttrivialen Topologie des Eichfeldes interpretieren:[8] Wegen des nicht einfach zusammenhängenden Raumes (der Zylinderinnenraum ist "ein Loch im Raum") verschwinden auch die Wegintegrale über geschlossene Kurven nicht (notwendigerweise).

Literatur

  • Franz Schwabl: Quantenmechanik (QM I), Springer 2004, ISBN 3-540-43106-3 (Kap. 7.5)
  • Yakir Aharonov, David Bohm: Significance of Electromagnetic Potentials in the Quantum Theory. In: The Physical Review. 115, Nr. 3, 1959, S. 485–491.
  • Yakir Aharonov, David Bohm: Further Considerations on Electromagnetic Potentials in the Quantum Theory. In: The Physical Review. 123, Nr. 4, 1961, S. 1511–1524.
  • G. Möllenstedt, W. Bayh: Messung der kontinuierlichen Phasenschiebung von Elektronenwellen im kraftfeldfreien Raum durch das magnetische Vektorpotential einer Luftspule. In: Die Naturwissenschaften. 49. Jahrgang, 1962, S. 81 (digizeitschriften.de).
  • Yoseph Imry, Richard A. Webb: Quantum Interference and the Aharonov-Bohm Effect. In: Scientific American. 260, Nr. 4, 1989, S. 56.
  • M. Peshkin, A. Tonomura The Aharonov-Bohm effect, Springer Verlag 1989

Einzelnachweise

  1. Seven wonders of the quantum world, newscientist.com
  2. Ehrenberg, Siday The Refractive Index in Electron Optics and the Principles of Dynamics, Proceedings of the Physical Society B, Band 62, 1949, S. 8–21. Aharonov und Bohm erfuhren erst nach ihrer Veröffentlichung von dieser Arbeit und wiesen in ihrem Aufsatz von 1961 darauf hin.
  3. HILEY, B. J. (2013): The Early History of the Aharonov-Bohm Effect. arxiv:1304.4736.
  4. Typische Versuchsanordnung
  5. Typische Verschiebung des Interferenzmusters (Memento vom 26. April 2016 im Internet Archive) (pdf; 26 kB)
  6. Chambers Shift of an Electron Interference Pattern by Enclosed Magnetic Flux, Physical Review Letters, Band 5 1960, S. 3–5
  7. Hier wird das SI-System verwendet; im CGS-System müsste durchgehend $ q{\vec {A}} $ und $ q{\vec {B}} $ durch $ q{\vec {A}}/c $ und $ q{\vec {B}}/c $ ersetzt werden.
  8. C. Nash, Bohm-Aharonov Effect, Encyclopedia of Mathematics, Springer

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