Giordano Bruno

Giordano Bruno

Giordano Bruno. Illustration in: Neue Bibliothec, oder Nachricht und Urtheile von Neuen Büchern. Frankfurt und Leipzig, 1715. S. 622, fig. 38

Giordano Bruno, vor 1565 Filippo Bruno (* Januar 1548 in Nola; † 17. Februar 1600 in Rom), war ein italienischer Priester, Dichter, Philosoph und Astronom. Er wurde durch die Inquisition der Ketzerei und Magie für schuldig befunden und vom Gouverneur von Rom zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Am 12. März 2000 erklärte Papst Johannes Paul II. nach Beratung mit dem päpstlichen Kulturrat und einer theologischen Kommission, die Hinrichtung sei nunmehr auch aus kirchlicher Sicht als Unrecht zu betrachten.

Bruno postulierte die Unendlichkeit des Weltraums und die ewige Dauer des Universums. Damit stellte er sich der damals herrschenden Meinung einer in Sphären untergliederten geozentrischen Welt entgegen. Viel schwerer wog damals, dass seine pantheistischen Thesen von einer unendlichen materiellen Welt keinen Raum für ein Jenseits ließen, da zeitliche Anfangslosigkeit des Universums eine Schöpfung und dessen ewiger Bestand ein Jüngstes Gericht ausschlossen.

Leben

Jugend

Giordano Bruno wurde im Jahre 1548 unter dem Namen Filippo Bruno in Nola bei Neapel geboren. Von seinem Heimatort ist seine spätere Selbstbezeichnung „Nolano“ (der Nolaner) abgeleitet. Sein Vater war Giovanni Bruno, ein Soldat, seine Mutter Fraulissa (Flaulisa?) Savolino.

Bruno studierte zunächst in Neapel und trat am 15. Juni 1565 in den Orden der Dominikaner ein, und zwar in das Kloster San Domenico Maggiore, wo er den Taufnamen Filippo ablegte und den Ordensnamen Jordanus/Giordano (nach dem zweiten Ordensmeister Jordan von Sachsen) annahm. Bald darauf geriet er in Konflikt mit der Ordensleitung, da er sich der Marienverehrung verweigerte und alle Heiligenbilder aus seiner Klosterzelle entfernte. Doch wurde dies als jugendliche Verirrung aufgefasst und blieb zunächst folgenlos. 1572 empfing er die Priesterweihe.

Verbannter

Flucht aus Italien

1576 geriet er zum ersten Mal unter Verdacht der Ketzerei und musste Neapel verlassen. Er floh nach Rom, um sich dem Papst zu Füßen zu werfen. Als dort jedoch bekannt wurde, dass Bruno bei seiner Flucht aus dem Kloster Schriften des Kirchenvaters Hieronymus in die Latrine geworfen hatte, musste er auch aus Rom fliehen. Er trat aus dem Mönchsorden aus und reiste nach Noli und Savona (Ligurien), dann nach Turin, Venedig und Padua weiter. Brunos Leben wurde fortan zu einer Wanderschaft durch Europa.

Die wiederentdeckten Ideen der antiken Naturphilosophie übten große Anziehung auf ihn aus. Zu dieser Zeit begann sich das von Nikolaus Kopernikus postulierte heliozentrische Weltbild durchzusetzen. Hierdurch ermutigt, entwickelte Bruno im Laufe der folgenden Jahre seine eigene Philosophie.

Genf, Frankreich, England

Über Chambéry ging er im Spätherbst 1578 zunächst nach Genf, wo seit Johannes Calvins Tod Théodore de Bèze dessen Nachfolge angetreten hatte. Bruno trat der protestantischen Kirche bei und hoffte, so Schutz vor der römischen Inquisition zu finden. Infolge unüberbrückbarer theologischer Differenzen wurde Bruno im August 1579 für kurze Zeit inhaftiert und mit Maßnahmen der calvinistischen Kirchenzucht belegt. Um freizukommen, widerrief er. Ende August 1579 kam er frei und reiste sogleich nach Lyon weiter.

Bruno gelangte dann 1579 nach Toulouse und hatte dort kurz einen Lehrstuhl inne. Zu dieser Zeit begann sein phänomenales Gedächtnis Furore zu machen. Bruno arbeitete mit einer speziellen Mnemotechnik. Aber die Erklärung, dass er magische Fähigkeiten habe, schien manchen Zeitgenossen dann doch einleuchtender.

Die Hugenottenkriege trieben ihn dann zwei Jahre später nach Paris. Dort blieb er bis 1583 und wurde von König Heinrich III. gefördert.

Mit einem Empfehlungsschreiben Heinrichs III. ging er 1583 nach England, versuchte zunächst in Oxford zu lehren, verursachte mit seinen Angriffen auf Aristoteles und wegen eines Plagiatsvorwurfs[1] jedoch einen Skandal und erhielt keinen Lehrstuhl. Bis Mitte 1585 lebte er dann im Haus seines Freundes und Förderers, des französischen Botschafters Michel de Castelnau Mauvissière (1517–1592), in London. Er machte Bekanntschaft mit Philip Sidney und mit Mitgliedern von John Dees hermetischem Zirkel. Ob Bruno John Dee persönlich begegnete, bleibt ungewiss. Seine Ansichten setzten in Oxford eine intensive Kontroverse in Gang, an der John Underhill, der Rektor des Lincoln College und spätere Bischof von Oxford, sowie George Abbot, der spätere Erzbischof von Canterbury, beteiligt waren.

Dort veröffentlichte er seine „italienischen Dialoge“, darunter Cena de le Ceneri (Das Aschermittwochsmahl) (1584), in dem er schonungslose Polemik gegen den Oxforder Gelehrtenstand übte und das Londoner Geistesleben heftig karikierte, sowie De l’Infinito, Universo e Mondi (Über die Unendlichkeit, das Universum und die Welten). In letzterem erklärte er die Sterne damit, dass sie wie unsere Sonne seien, dass das Universum unendlich sei, es eine unendliche Anzahl von Welten gebe und diese mit einer unendlichen Anzahl intelligenter Lebewesen bevölkert seien.

1585 ging er wieder nach Paris, die Stimmung dort war aber nicht so aufgeschlossen wie noch zwei Jahre zuvor. Nach Tumulten, die durch seine 120 Thesen gegen die aristotelische Naturlehre und ihre Vertreter entfacht wurden, und nach einer Schmähschrift gegen den Mathematiker Fabrizio Mordente musste er Paris verlassen.

Deutschland, Prag, Genf, Zürich

Tafel für Giordano Bruno in Wittenberg, Leucorea

Bruno reiste nach Deutschland weiter und versuchte, einen Lehrstuhl in Marburg zu erhalten. Im Sommer 1586 kam Bruno nach Wittenberg. Auf Fürsprache des Rechtsgelehrten Alberico Gentilis fand er Aufnahme als Extraordinarius an der Artistenfakultät der Universität Wittenberg. Er erhielt das Recht auf freie Vorträge über Philosophie. In seinen Vorlesungen behandelte er das Organon des Aristoteles, Mathematik, Logik, Physik und Metaphysik.

In Wittenberg entstanden 1587 zwei Bücher über Logik und Gedächtniskunst – ein Thema, das später Gottfried Wilhelm Leibniz fortsetzen sollte –, die Bruno dem Kanzler der Universität Georg Mylius widmete. Als 1588 in Wittenberg Streitigkeiten zwischen Gnesiolutheranern und Philippisten ausbrachen, verließ Bruno am 8. März die Stadt und ging für ein halbes Jahr nach Prag. Zwar gewann er die Gunst Kaiser Rudolfs II., erhielt aber keinen Lehrauftrag. Mit einer finanziellen Unterstützung von 300 Talern von Rudolf II. reiste er nach Helmstedt weiter, wo er eine Professur an der Academia Julia erhielt. Hier sammelte er, wie in Noli, in der Stille seine Kräfte und bereitete die Frankfurter Schriften vor, die sein philosophisches Vermächtnis werden sollten. Es hielt ihn nicht lange; nach den Calvinisten in Genf exkommunizierten ihn jetzt die Lutheraner.

Wo auch immer Bruno wirkte, versuchte er einen festen Lehrstuhl zu erhalten – erfolglos. Brunos Talent, sich in der Welt der komplizierten Machtverhältnisse der Renaissance zu behaupten, könnte zwiespältiger nicht interpretiert werden: Auf der einen Seite gelang es ihm immer wieder, mächtige Gönner auf seine Seite zu ziehen. Auf dem theologisch-philosophischen Kampfplatz aber scheint er ein besonderes Talent dafür gehabt zu haben, sich mit rücksichtsloser Polemik, beißendem Spott und insbesondere mit der Ablehnung der Gottessohnschaft Christi und mit seiner kompromisslosen Gegnerschaft zu Aristoteles Feinde zu schaffen.

Ab Juli 1590 lebte er in Frankfurt am Main. In der Freien und Reichsstadt kam es aber zu Auseinandersetzungen u. a. mit Johannes Münzenberger, der seit 1574 Kustos und ab 1580 Prior am Karmeliterkloster Frankfurt war[2][3], aber auch mit den Stadtoberen aus dem Rat der Stadt, die ihn im Februar 1591 auswiesen. Er plante in der freien Reichsstadt zunächst bei dem Verleger und Drucker Johann Wechel († 1593) zu wohnen.[4] Die Stadtherren lehnten Brunos Ansinnen ab. Johann Wechel fand für Bruno eine Unterkunft im Karmeliterkloster.[5]

Es folgt ein Kurzaufenthalt in Zürich.[6]

Rückkehr nach Italien und Verhaftung

Während seiner Frankfurter Zeit erfasste ihn so etwas wie Heimweh. In Italien war freilich die Inquisition mächtig, und die katholische Kirche kämpfte mit allen Mitteln gegen die Reformation. Schließlich waren es der Tod des konservativen Papstes Sixtus V. und die Vakanz eines Lehrstuhls für Mathematik an der Universität Padua, die den Ausschlag gaben, dass Bruno nach Italien zurückkehrte. Während eines Aufenthalts auf der Buchmesse in Frankfurt erreichte ihn eine Einladung von Giovanni Mocenigo nach Venedig, die er jedoch ablehnte.

Er lehrte zunächst in Padua, doch wurde der Lehrstuhl bald an Galileo Galilei vergeben. Bruno nahm danach eine Einladung nach Venedig an. Sein Gastgeber, Zuane Mocenigo (1531–1598), Provveditore Generale di Marano, wollte in die Gedächtniskunst eingeweiht werden; doch es ist viel wahrscheinlicher, dass er sich von Bruno Einblick in weit „magischere“ Künste erhoffte. Wohl aus Enttäuschung, dass diese Erwartungen nicht erfüllt wurden, kam es zu Streitigkeiten. Während Bruno noch überlegte, Venedig zu verlassen, wurde er von Mocenigo denunziert und am 22. Mai 1592 von der Inquisition verhaftet.

Im venezianischen Kerker widerrief er nach sieben Verhören. Die Macht der Inquisition traf in Venedig auf wenig Widerstand, da sich Venedig für Bruno als nicht zuständig erachtet haben dürfte. Einerseits war Venedig zuerst nicht geneigt, Bruno nach Rom auszuliefern, andererseits war er nach damaliger Rechtsauffassung ein geflohener Mönch, der ausgeliefert werden musste. Zudem wurde er ein Opfer der damaligen politischen Spiele.

Kerkerhaft in Rom und Hinrichtung

Giordano Bruno vor der Inquisitionskommision. Historisierendes Relief von Ettore Ferrari (1848–1929)

Anfang 1593 wurde Giordano Bruno nach Rom gebracht und in der Engelsburg gefangengesetzt. In den folgenden sieben Jahren wurde der Prozess gegen ihn vorbereitet. Er versuchte vergeblich, eine Audienz bei Papst Clemens VIII. zu erreichen, und war sogar bereit, teilweise zu widerrufen. Doch dies genügte der Inquisition nicht. Als sie den vollständigen Widerruf forderte, reagierte Bruno hinhaltend und schließlich trotzig: An der Ablehnung der Gottessohnschaft Christi, des Jüngsten Gerichts und der Behauptung vieler ‚Welten‘ hielt er fest.

Am 8. Februar 1600 wurde das Urteil des Heiligen Offiziums verlesen: Giordano Bruno wurde wegen Ketzerei und Magie aus dem Orden der Dominikaner und aus der Kirche ausgestoßen und dem weltlichen Gericht des Gouverneurs in Rom überstellt, mit der herkömmlichen Bitte, dieser möge die Strenge des Gesetzes mildern und keine Strafen gegen Leib oder Leben verhängen. Außerdem wurden alle seine Schriften verboten, seine Werke sollten öffentlich zerrissen und verbrannt werden. Bruno reagierte auf das Urteil mit seinem berühmt gewordenen Satz: „Mit größerer Furcht verkündet ihr vielleicht das Urteil gegen mich, als ich es entgegennehme“ („Maiori forsan cum timore sententiam in me fertis quam ego accipiam“).

Von dem weltlichen Gericht des römischen Gouverneurs wurde Bruno anschließend zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Von fast achtjähriger Kerkerhaft körperlich gebrochen, wurde der 52-jährige Giordano Bruno am 17. Februar 1600 auf dem Campo de’ Fiori auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Vor der Hinrichtung wurde Giordano Bruno angeblich die Zunge festgebunden, damit er nicht zum anwesenden Volk sprechen konnte.

Nachleben

Denkmal auf dem Campo de’ Fiori von Ettore Ferrari
Denkmal für Giordano Bruno von Alexander Polzin, 2008, Potsdamer Platz, Berlin
Gedenktafel am Denkmal auf dem Potsdamer Platz

Seine Bücher wurden auf den Index der verbotenen Schriften gesetzt, wo sie bis zu dessen Abschaffung 1966 im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils blieben.

Im Jahr 2000 erklärte Papst Johannes Paul II. nach Beratung mit dem päpstlichen Kulturrat und einer theologischen Kommission die Hinrichtung Giordano Brunos für Unrecht: Selbst Männer der Kirche seien im Namen des Glaubens und der Sittenlehre mitunter Wege gegangen, „die nicht im Einklang mit den Evangelien stehen“. Eine vollständige Rehabilitierung des Gelehrten Giordano Bruno durch die katholische Kirche fand aber nicht statt, da der Pantheismus nicht mit der katholischen Lehre vereinbar sei.

Bruno beeinflusste eine Reihe von Philosophen und Schriftstellern stark, unter anderem Pierre Gassendi, Baruch de Spinoza, Lucilio Vanini, Friedrich Schelling, Galileo Galilei, Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Nietzsche. Gottfried Wilhelm Leibniz übernahm von ihm den Begriff der Monade.

Aus der großen Zahl von literarischen Verarbeitungen des Lebens Brunos zwei Beispiele: 1841 veröffentlichte Leopold Schefer die Novelle Göttliche Komödie in Rom über den Prozess und die Hinrichtung Giordano Brunos. Bertolt Brecht schrieb die Erzählung Der Mantel des Ketzers.

Auf dem Campo de’ Fiori in Rom erinnert ein Denkmal der Freimaurer des Grande Oriente d’Italia, das von der laizistisch regierten Stadtgemeinde 1889 gegen den Willen des damaligen Papstes Leo XIII. (1878–1903) errichtet wurde, an Giordano Bruno.

Nach Giordano Bruno ist der Asteroid (5148) Giordano und ein 22 km durchmessender Mondkrater benannt, 103° östl. Länge, 36° nördl. Breite. Im deutschsprachigen Raum trägt seinen Namen die 2004 gegründete Giordano-Bruno-Stiftung, die sich dem evolutionären Humanismus und der Förderung der Religionskritik widmet und insbesondere den Religionskritiker Karlheinz Deschner förderte.[7] Außerdem ist die Giordano-Bruno-Gesamtschule in Helmstedt nach ihm benannt. Seit 2008 gibt es am Potsdamer Platz in Berlin ein Giordano-Bruno-Denkmal.[8]

Philosophie

Brunos Philosophie

Pantheismus

Für Bruno stammte alles aus der Natur von der göttlichen Einheit von Materie und Dunkelheit ab. Zum einen trennte er Gott von der Welt, und zum anderen tendierte er zu einem dazu entgegengesetzten Pantheismus. Bruno verband die These, dass Gott allem innewohne, mit dem Glauben, dass die Realität der Vorstellung entspringe. Damit nahm er die Gedanken von Gottfried Wilhelm Leibniz und Baruch de Spinoza vorweg. Er stellte sich gegen das geozentrische Weltbild, nahm stattdessen an, dass die Welt und die Menschen ein einmaliger Unfall einer einzelnen lebenden Weltsubstanz seien,[9] und bekannte sich zur kopernikanischen Theorie. Weiterhin postulierte er die Monade, die als eine unteilbare Einheit ein Element des Weltaufbaus darstellt. Der Begriff Monade wurde von Gottfried Wilhelm Leibniz übernommen. Bruno ist einer der wichtigsten Vertreter einer panpsychistischen Weltanschauung, der zufolge überall im Kosmos geistige Eigenschaften vorhanden sind.

Von den christlichen Kirchen wurde Atheismus und Pantheismus lange Zeit gleichgesetzt. Die Vorstellungen Giordano Brunos stehen im Gegensatz zum materialistischen Weltbild. Sie stehen in der Tradition des neuplatonischen Idealismus sowie der Mystik, die er vor allem durch die Werke von Avicenna, Averroes, Nikolaus von Kues rezipiert hat.[10] Zwar hat Bruno viele Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften vorweggenommen. Dies verdankt sich jedoch eher einem „naturphilosophischen Ganzheitsdenken“ als einem physikalisch-analytischen Zugang, wie er etwa für seinen Zeitgenossen Galileo Galilei kennzeichnend war.[11] Dies wird besonders klar in Brunos Erkenntnistheorie, verdeutlicht etwa in seiner Interpretation des Aktaion-Mythos in den Heroischen Leidenschaften.[12] Mit dem nach Wahrheit Suchenden verhält es sich laut Bruno wie mit dem griechischen Jäger Aktaion. Dieser hatte auf der Jagd die nackte Göttin Diana beim Bad überrascht und wird in einen Hirsch verwandelt, der von seinen eigenen Hunden gejagt und zerrissen wird. Diana ist hier ein Sinnbild für die Natur, deren Erkenntnis sich dem Menschen entziehen will. Bruno schreibt, es sei „das letzte Ziel und das Ende dieser Jagd [nach der Wahrheit] […], in den Besitz jener flüchtigen und scheuen Beute zu gelangen, durch die der Beutemacher zur Beute, der Jäger zum Gejagten wird.“[13] Das Göttliche wird im Pantheismus Brunos nicht etwa in die Natur hineingelegt, die dann ein vom Erkenntnissubjekt unabhängiger, objektiver Forschungsgegenstand wäre. Vielmehr wird auch das Erkenntnissubjekt als Teil des Kosmos begriffen. Es löst sich in seiner Individualität auf, sobald es die Erfahrung der pantheistischen Einheit macht, die bei Bruno mystischen, übersinnlichen Charakter hat. So heißt es in Brunos Interpretation des Aktaion-Mythos:

„So verschlingen die Hunde, die Gedanken an göttliche Dinge, diesen Aktaion, so dass er nun für das Volk, die Menge tot ist, gelöst aus den Verstrickungen der verwirrten Sinne, frei vom fleischlichen Gefängnis der Materie. Deshalb braucht er seine Diana nun nicht mehr gleichsam durch Ritzen und Fenster zu betrachten, sondern ist nach dem Niederreißen der Mauern ganz Auge mit dem gesamten Horizont im Blick.“[13]

Unendlichkeit des Weltalls

Den Prinzipien seiner Naturphilosophie folgend, glaubte Bruno nicht nur, dass das Weltall unendlich ist, sondern dass es auch unendlich viele Lebewesen auf anderen Planeten im Universum gibt. Diese Schlussfolgerungen zog er aus dem Gedanken, dass einer allmächtigen und unendlichen Gottheit auch nur ein unendliches Universum entsprechen kann, denn alles andere wäre einer unendlichen Gottheit nicht würdig. Giordano Bruno kann in seiner Philosophie aber nicht einfach „hinter“ Kopernikus oder Galilei eingereiht werden. Er teilte deren in erster Linie auf der Beobachtung der Natur basierende Überlegungen nicht. Er zweifelte an der Kompetenz der Mathematik und setzte an deren Stelle seine spezifische naturphilosophische Betrachtungsweise. In seiner Gesamtheit kann Brunos Denken in die Philosophia perennis eingeordnet werden, der er einen neuen naturphilosophischen Zugang sowie revolutionären und kämpferischen Aspekt hinzufügte.

Verwerfung der Auffassung von der Zweigeteiltheit der Welt

Zwar übernahm Bruno zunächst von Aristoteles die Vorstellung, die riesigen Räume zwischen den unendlich vielen Sonnensystemen seien mit Äther erfüllt, weil leerer Raum nicht existieren könne, doch entwickelte er schließlich in De immenso die Konzeption eines Vakuums. Zudem brach er mit der bis dahin gängigen Auffassung des Aristoteles von der Zweigeteiltheit der Welt in den translunaren und den sublunaren Bereich. Der Bereich über der Mondsphäre galt als der heilige Bereich, von dem allein ein verlässliches Zeitmaß abgenommen werden konnte. Dies galt aber nicht für den Bereich unterhalb der Mondsphäre, den sublunaren Bereich, in dem sich die Erde befand, so dass es vor Giordano Bruno nicht denkbar war, ein irdisches Zeitmaß anzugeben. Durch die Aufhebung dieser Grenze zwischen sublunarem und translunarem Bereich durch Giordano Bruno wurde die Erde in den göttlichen Bereich einbezogen, so dass auch auf der Erde gültige Zeitmaßstäbe denkbar wurden.

Virtuelle Raumfahrten

In De immenso entwarf er eine erste Raumfahrtidee. „Mit den Flügeln des Geistes“ unternahm er Reisen zum Mond und anderen Gestirnen, führte Gedankenexperimente zur planetaren Perspektive durch und fragte nach den Gründen für die Fähigkeit des Menschen, begrenzte Horizonte überwinden zu können.[14]

Einflüsse auf Giordano Bruno

Sein Denken wurde von Platon, Epikur, Lukrez, Thomas von Aquin, Johannes Scotus Eriugena, Nikolaus von Kues und Ramon Llull beeinflusst. Er war ein ausgeprägter Kritiker der Lehren des Aristoteles. Untersuchungsergebnissen der Kulturhistorikerin Frances Yates zufolge war Bruno auch von Marsilio Ficino und der hermetischen Literatur beeinflusst.

Werke

  • Candelaio, 1582 (Brunos erste Schrift). Deutsch: Der Kerzenzieher. Hrsg. von Sergius Kodera. (= Philosophische Bibliothek. Bd. 544). Meiner, Hamburg 2003, ISBN 978-3-7873-1795-0; weitere Ausgabe: Candelaio – Kerzen, Gold und Sprachgelichter. Komödie in fünf Akten. Aus dem Italienischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Johannes Gerber (= Materialien des ITW Bern, Nr. 4). Editions Theaterkultur, Basel 1995.
  • Spaccio de la bestia trionfante, 1584. Deutsch: Die Vertreibung der triumphierenden Bestie. Berlin/Leipzig 1904.
  • La cena de le ceneri, 1584. Deutsch: Das Aschermittwochsmahl. Hrsg. von Hans Blumenberg. Insel, Frankfurt am Main 1981, ISBN 978-3-458-32248-1.
  • De l’infinito, universo e mondi, 1584. Deutsch: Über das Unendliche, das Universum und die Welten. Reclam, Ditzingen 1994, ISBN 3-15-005114-2.
  • Die Kabbala des Pegasus, 1584–1585. Deutsch: Die Kabbala des Pegasus. Hrsg. von Kai Neubauer (= Philosophische Bibliothek, Bd. 528). Meiner, Hamburg 2000, ISBN 978-3-7873-1543-7.
  • De gli eroici furori, 1585. Deutsch: Von den heroischen Leidenschaften. Übers. und hrsg. von Christiane Bachmeister (= Philosophische Bibliothek. Bd. 398). Meiner, Hamburg 1996, ISBN 978-3-7873-1292-4.
  • De la causa, principio e uno, 1584. Deutsch: Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen. (PDF-Datei; 502 kB). Hrsg. von Paul Richard Blum (= Philosophische Bibliothek, Bd. 21). 7. Auflage. Meiner, Hamburg 1993, ISBN 978-3-7873-1147-7; weitere Ausgabe: Über die Ursache, das Prinzip und das Eine. Anhang: Akten des Prozesses der Inquisition gegen Giordano Bruno. Reclam, Ditzingen 1986, ISBN 3-15-005113-4; weitere Ausgabe: Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen. hrsg. von Bruno Kern, dt., Wiesbaden 2015.
  • De magia / de vinculis in genere, 1586–1591. Deutsch: Die Magie / Die verschiedenen Arten des Bannens und Bezauberns. Peißenberg 1999. Erstmals 1891 in Florenz erschienen.
  • Lampas triginta statuarum, 1587. Deutsch: Die Fackel der dreißig Statuen. Peißenberg 1999.
  • De monade numero et figura …, Frankfurt 1591. Deutsch: Über die Monas, die Zahl und die Figur als Elemente einer sehr geheimen Physik, Mathematik und Metaphysik. Hrsg. von Elisabeth von Samsonow (= Philosophische Bibliothek, Bd. 436). Meiner, Hamburg 1997, ISBN 978-3-7873-1330-3; weitere Ausgabe: Giordano Bruno, Das Buch über die Monade, die Zahl und die Figur. Einleitung, Übersetzung, Kommentar, hrsg. von Wolfgang Neuser, Michael Spang, Erhard Wicke. Bautz, Nordhausen 2010, ISBN 978-3-88309-558-5.
  • Il triplici minimo et la misura ad trium speculativarum scientiarum et multarum activarum, Frankfurt 1591. Deutsch: Das dreifache Minimum und das Maß. Peißenberg 2002.
  • De Immenso et Innumerabilibus Liber I–VI, 1591. Deutsch: Das Unermessliche und Unzählbare. 6 Bücher. Peißenberg 1999.

Werkausgaben

  • Werke. Hrsg. von Thomas Leinkauf u.a. Meiner, Hamburg 2007 ff. (7 Bde., Italienisch-Deutsch mit ausführlicher Einleitung, Kommentar, Bibliographie, Namen- und Sachregister sowie Glossar)
  • Opera Latine Conscripta [Lateinische Schriften], hrsg. von F. Fiorentino und F. Tocco. Neapel, Florenz 1879–1891. Reprint in 8 Bänden: Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 1962, ISBN 978-3-7728-0083-2.

Literatur

  • Paul Richard Blum: Giordano Bruno. Beck, München 1999, ISBN 3-406-41951-8.
  • Hans Blumenberg: Aspekte der Epochenschwelle: Cusaner und Nolaner. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-518-07774-0.
  • Angelika Bönker-Vallon: Metaphysik und Mathematik bei Giordano Bruno. Akademie-Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-05-002679-0.
  • Jens Brockmeier: Die Naturtheorie Giordano Brunos. Erkenntnistheoretische und naturphilosophische Voraussetzungen des frühbürgerlichen Materialismus. Campus, Frankfurt am Main u.a. 1980, ISBN 3-593-32674-4.
  • Emilian Buza: Bruno, Giordano Phillipo. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 22, Bautz, Nordhausen 2003, ISBN 3-88309-133-2, Sp. 149–156.
  • Gisela Dischner: Giordano Bruno. Denker – Dichter – Magier. Francke, Tübingen u.a. 2004, ISBN 3-7720-8022-7.
  • Anne Eusterschulte: Giordano Bruno – Eine Einführung. Panorama, Wiesbaden 2005, ISBN 3-926642-53-X.
  • Beate Hentschel: Die Philosophie Giordano Brunos – Chaos oder Kosmos? Eine Untersuchung zur strukturalen Logizität und Systematizität des nolanischen Werkes. Lang, Frankfurt am Main u.a. 1988, ISBN 3-631-40399-2.
  • Marie-Luise Heuser: Georg Cantors transfinite Zahlen und Giordano Brunos Unendlichkeitsidee. In: Selbstorganisation. Jahrbuch für Komplexität in den Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Hrsg. von Uwe Niedersen, Bd. 2: Der Mensch in Ordnung und Chaos. Duncker & Humblot, Berlin 1991, S. 222–244.
  • Marie-Luise Heuser: Maximum und Minimum. Brunos Grundlegung der Geometrie in den „Articuli adversus mathematicos“ und ihre weiterführende Anwendung in Keplers „Vom sechseckigen Schnee“, in: K. Heipcke, W. Neuser, E. Wicke (Hrsg.), Die Frankfurter Schriften Giordano Brunos und ihre Voraussetzungen, Weinheim (Acta Humaniora) 1991, S. 181–197.
  • Marie-Luise Heuser: Transterrestrik in der Renaissance: Nikolaus von Kues, Giordano Bruno und Johannes Kepler. In: M. Schetsche, M. Engelbrecht (Hrsg.): Von Menschen und Ausserirdischen. Transterrestrische Begegnungen im Spiegel der Kulturwissenschaft. Transcript, Bielefeld 2008, S. 55–79.
  • Thomas Sören Hoffmann: Philosophie in Italien. Eine Einführung in 20 Porträts. Marix, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-127-8.
  • Jochen Kirchhoff: Giordano Bruno. Rowohlt, Hamburg 1980, ISBN 3-499-50285-2.
  • Andrea König: Giordano Bruno – An der Schwelle der Moderne. Tectum, Marburg 2003, ISBN 3-8288-8558-6.
  • Elisabeth von Samsonow (Hrsg.): Giordano Bruno, ausgewählt und vorgestellt. München 1995, ISBN 3-424-01275-0.
  • Guido Schmidlin: Giordano Bruno und die Zürcher Alchemisten und Paracelsisten. In: Nova Acta Paracelsica, Neue Folge 8, Bern 1994, ISBN 3-906752-91-7.
  • Hans Ulbrich, Michael Wolfram: Giordano Bruno – Dominikaner, Ketzer, Gelehrter. Königshausen und Neumann, Würzburg 1994, ISBN 3-88479-901-0.
  • Anacleto Verrecchia: Giordano Bruno. Böhlau, Wien 2002, ISBN 3-205-98881-7.
  • Gerhard Wehr: Giordano Bruno. dtv, München 1999, ISBN 3-423-31025-1.
  • Dorothea Waley Singer: Giordano Bruno: His Life and Thought. With Annotated Translation of His Work – On the Infinite Universe and Worlds. Henry Schuman, New York 1950, ISBN 1-117-31419-7 (online).
  • Wolfgang Wildgen: Das kosmische Gedächtnis – Kosmologie, Semiotik und Gedächtnistheorie im Werke Giordano Brunos (1548–1600). Lang, Frankfurt am Main u.a. 1998, ISBN 3-631-32953-9.
  • Jochen Winter: Giordano Bruno – Eine Einführung. Parerga, Düsseldorf 1999, ISBN 3-930450-37-2.
  • Frances A. Yates: Giordano Bruno and the Hermetic Tradition. London/New York 1964.

Weblinks

Commons: Giordano Bruno – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Primärtexte
 Wikisource: Giordano Bruno – Quellen und Volltexte
 Wikiquote: Giordano Bruno – Zitate
Informationen über Bruno

Anmerkungen

  1. vgl. E. Samsonow: Giordano Bruno. Diederichs, München 1995, S. 51
  2. Kurt Ohly, Vera Sack: Inkunabelkatalog der Stadt- und Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Frankfurt am Main. Frankfurt/M 1967, S. 708.
  3. Evelyn Brockhof: Das Institut für Stadtgeschichte: Seit 1436 das Gedächtnis Frankfurts. Kramer, 2013, ISBN 3-86539-690-9, S. 97
  4. Herausgeber des Chronicorum Turcicorum Frankfurt 1584; Johann Wechel war der Sohn des 1572 aus Paris stammenden Verlegers Andreas Wechel († 1581) und setzte die verlegerische Tradition in Frankfurt am Main fort
  5. Hans-Joachim Ulbrich, Michael Wolfram: Giordano Bruno: Dominikaner, Ketzer, Gelehrter. Königshausen & Neumann, Würzburg 1994, ISBN 3-88479-901-0, S. 175
  6. In Nova Acta Paracelsica, Neue Folge 8, Peter Lang Bern 1994, S. 57–87, sind neue Fakten zu Brunos Zürcher Aufenthalt mitgeteilt, welche die Rückkehr Brunos nach Italien, d.h. von Zürich nach Venedig und Padua, in ein völlig neues Licht rücken.
  7. Linus Hauser: Die Giordano Bruno Stiftung im kulturgeschichtlichen Kontext. In: Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen 74 (2011), S. 139–144.
  8. Website zum Denkmal und Durs Grünbein: Flame and Wood. A Speech on the Occasion of the Unveiling of a Giordano Bruno Monument in Berlin. In: Henning Hufnagel, Anne Eusterschulte (Hrsg.): Turning Traditions Upside Down. Rethinking Giordano Bruno’s Enlightenment. Central European University Press, Budapest 2013, ISBN 978-615-5053-63-4, S. 251–255.
  9. Siehe z.B. Giordano Bruno: „Wenn also Geist, Seele und Leben sich in allen Dingen vorfindet …“ in Wikiquote
  10. J. Kirchhoff: Giordano Bruno. 4. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1993, S. 27.
  11. J. Kirchhoff: Giordano Bruno. 4. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1993, S. 7 ff, 16.
  12. W. Beierwaltes: Actaeon – Zu einem mythologischen Symbol Giordano Brunos. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 32, 1978, S. 345–354.
  13. 13,0 13,1 Giordano Bruno: Von den heroischen Leidenschaften. Felix Meiner Verlag, Hamburg 1989, S. 168.
  14. Marie-Luise Heuser: Raumontologie und Raumfahrt um 1600 und 1900. Universität Tübingen, abgerufen am 11. Oktober 2016.