Diamagnetismus

Vereinfachter Vergleich der Permeabilitäten von ferromagnetischen (μf), paramagnetischen (μp) und diamagnetischen Materialien (μd) zu Vakuum (μ0). Dabei ist μ jeweils die Steigung der Kurven B(H).
H: Feldstärke des äußeren Feldes
B: Flussdichte des induzierten Feldes

Diamagnetismus ist eine der Ausprägungsformen des Magnetismus in Materie. Diamagnetische Materialien entwickeln in einem externen Magnetfeld ein induziertes Magnetfeld in einer Richtung, die dem äußeren Magnetfeld entgegengesetzt ist. Diamagnetische Materialien haben die Tendenz, aus einem inhomogenen Magnetfeld herauszuwandern. Ohne äußeres Magnetfeld haben diamagnetische Materialien kein eigenes Magnetfeld, sie sind nichtmagnetisch.

Der Proportionalitätsfaktor der Feldabschwächung wird durch die relative Permeabilität $ \mu _{r} $ (bzw. die magnetische Suszeptibilität $ \chi =\mu _{r}-1 $) bestimmt[1] und ist bei Diamagneten kleiner als 1 (vgl. Paramagnetismus).

In der Physik werden alle Materialien mit negativer magnetischer Suszeptibilität und ohne magnetische Ordnung als diamagnetisch klassifiziert. Die am stärksten diamagnetischen Elemente unter Normalbedingungen sind Bismut und Kohlenstoff.

Geschichte

Ein Stück Graphit, das durch Diamagnetismus über vier Permanentmagneten schwebt.

1778 beobachtete Anton Brugmans, dass bestimmte Materialien von Magnetfeldern abgestoßen werden. 1845 erkannte Michael Faraday, dass alle Materialien in der Natur auf äußere Magnetfelder reagieren. Er führte den Begriff des „Diamagnetismus“ auf Vorschlag des Philosophen William Whewell in die Physik ein.

Modell

Wenn ein äußeres magnetisches Feld H auf diamagnetische Materialien einwirkt, ändert es die magnetische Ausrichtung der Bestandteile der Atome so, dass ein magnetisches Moment entsteht, welches dem äußeren magnetischen Feld entgegengesetzt ist. Das induzierte Feld B als Summe der magnetischen Momente der Atome des Materials schwächt dieses äußere Feld.

Bei einem inhomogenen Feld ist Arbeit aufzubringen, um einen Diamagneten in Bereiche höherer Feldstärke zu bewegen, da die kompensierenden Effekte verstärkt werden müssen. Von selbst strebt ein diamagnetisches Material in Richtung niedrigerer Feldstärke. Die tatsächlichen Vorgänge lassen sich nur quantenmechanisch erklären: Der Spin jedes Elektrons besitzt ein magnetisches Moment und erzeugt so ein Feld, das jedoch aufgrund des Pauli-Prinzips und der thermischen Bewegungen makroskopisch nicht in Erscheinung tritt. Erst das äußere Feld induziert gleichgerichtete magnetische Dipole.

Aufgrund dieser Überlegungen wird klar, dass jedes Material diamagnetisch ist. Weil die diamagnetischen Effekte jedoch schwächer als der Paramagnetismus und um Größenordnungen schwächer als der Ferromagnetismus sind, treten sie nur bei Materialien in Erscheinung, die weder para- noch ferromagnetisch sind. Man bezeichnet solche Stoffe dann als diamagnetisch.

Diamagnetische Materialien besitzen eine magnetische Suszeptibilität χ kleiner als 0 und dementsprechend eine relative Permeabilität kleiner als 1.

Für eine Liste von Suszeptibilitäten ausgewählter Materialien → siehe Magnetische Suszeptibilität.

Effekte

Supraleiter

Supraleiter sind perfekte Diamagneten mit der Suszeptibilität −1: sie verdrängen die magnetischen Feldlinien aus ihrem Inneren (Meißner-Ochsenfeld-Effekt).

Schweben

Pyrolytischer Graphit schwebt im starken Magnetfeld

Durch den Effekt des Herauswanderns aus einem Magnetfeld ist es möglich, bei genügend starkem Magnetfeld (etwa 15 Tesla im Labor), Wasser und sogar Lebewesen schweben zu lassen. Diesen Effekt nennt man auch diamagnetische Levitation; bekannt wurden vor allem Versuche mit einem schwebenden Frosch, einer Spinne oder einem Holzklotz.

Pyrolytischer Graphit ist orthogonal zur Kristallebene stark diamagnetisch. Mit einem starken Neodym-Magneten kann Graphit in der Schwebe gehalten werden.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Fischer: Werkstoffe in der Elektrotechnik. 2. Auflage. Carl Hanser Verlag, München / Wien 1982, ISBN 3-446-13553-7.
  • Horst Stöcker: Taschenbuch der Physik. 4. Auflage. Verlag Harry Deutsch, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-8171-1628-4.
  • Günter Springer: Fachkunde Elektrotechnik. 18. Auflage. Verlag Europa-Lehrmittel, Wuppertal 1989, ISBN 3-8085-3018-9.
  • L. N. Mulay, E. A. Boudreaux: Theory and applications of molecular diamagnetism. Wiley, New York 1976, ISBN 0-471-62358-X.
  • Jakov Grigoŕevič Dorfman: Diamagnetismus und chemische Bindung. Teubner, Leipzig 1964, DNB 57290178X.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Man beachte, dass im Gaußschen Einheitensystem, der gebräuchlichsten cgs-Variante, die Suszeptibilität anders definiert ist; es gilt $ {\textstyle \chi ^{\mathrm {SI} }=4\pi \chi ^{\mathrm {cgs} }} $

Die News der letzten Tage

25.09.2023
Thermodynamik | Optik | Akustik
Licht- und Schallwellen enthüllen negativen Druck
Negativer Druck ist ein seltenes und schwer nachzuweisendes Phänomen in der Physik.
20.09.2023
Sterne | Teleskope | Astrophysik
JWST knipst Überschall-Gasjet eines jungen Sterns
Die sogenannten Herbig-Haro-Objekte (HH) sind leuchtende Gasströme, die das Wachstum von Sternbabies signalisieren.
18.09.2023
Optik | Quantenphysik
Ein linearer Weg zu effizienten Quantentechnologien
Forschende haben gezeigt, dass eine Schlüsselkomponente für viele Verfahren der Quanteninformatik und der Quantenkommunikation mit einer Effizienz ausgeführt werden kann, die jenseits der üblicherweise angenommenen oberen theoretischen Grenze liegt.
17.01.1900
Thermodynamik
Effizientes Training für künstliche Intelligenz
Neuartige physik-basierte selbstlernende Maschinen könnten heutige künstliche neuronale Netze ersetzen und damit Energie sparen.
16.01.1900
Quantencomputer
Daten quantensicher verschlüsseln
Aufgrund ihrer speziellen Funktionsweise wird es für Quantencomputer möglich sein, die derzeit verwendeten Verschlüsselungsmethoden zu knacken, doch ein Wettbewerb der US-Bundesbehörde NIST soll das ändern.
15.01.1900
Teilchenphysik
Schwer fassbaren Neutrinos auf der Spur
Wichtiger Meilenstein im Experiment „Project 8“ zur Messung der Neutrinomasse erreicht.
17.09.2023
Schwarze Löcher
Neues zu supermassereichen binären Schwarzen Löchern in aktiven galaktischen Kernen
Ein internationales Team unter der Leitung von Silke Britzen vom MPI für Radioastronomie in Bonn hat Blazare untersucht, dabei handelt es sich um akkretierende supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien.
14.09.2023
Sterne | Teleskope | Astrophysik
ESO-Teleskope helfen bei der Lösung eines Pulsar-Rätsels
Durch eine bemerkenswerte Beobachtungsreihe, an der zwölf Teleskope sowohl am Erdboden als auch im Weltraum beteiligt waren, darunter drei Standorte der Europäischen Südsternwarte (ESO), haben Astronom*innen das seltsame Verhalten eines Pulsars entschlüsselt, eines sich extrem schnell drehenden toten Sterns.
30.08.2023
Quantenphysik
Verschränkung macht Quantensensoren empfindlicher
Quantenphysik hat die Entwicklung von Sensoren ermöglicht, die die Präzision herkömmlicher Instrumente weit übertreffen.
30.08.2023
Atomphysik | Teilchenphysik
Ein einzelnes Ion als Thermometer
Messungen mit neuem Verfahren zur Bestimmung der Frequenzverschiebung durch thermische Strahlung an der PTB unterstützen eine mögliche Neudefinition der Sekunde durch optische Uhren.