Der Sonne ein Stück näher

Der Sonne ein Stück näher



Physik-News vom 25.11.2020

Der Borexino-Kollaboration, an der auch Wissenschaftler der TU Dresden beteiligt sind, ist es nach über 80 Jahren gelungen, den Bethe-Weizsäcker-Zyklus experimentell zu bestätigen. Das internationale Team konnte erstmals Neutrinos aus diesem Zyklus (engl. CNO neutrinos) mit dem Borexino-Detektor in den Laboratori Nazionali im Gran Sasso Massiv (Italien) direkt beobachten. Dieser Meilenstein bedeutet für den Dresdner Neutrinoforscher Prof. Kai Zuber und sein Team am Institut für Kern- und Teilchenphysik die Erfüllung eines lang gehegten wissenschaftlichen Traums.

Sterne produzieren ihre Energie über Kernfusion, indem Wasserstoff zu Helium umgewandelt wird – diesen Prozess bezeichnen Forscher auch als Wasserstoffbrennen. Für diese Fusionsreaktion gibt es zwei Möglichkeiten, den sogenannten pp-Zyklus (Proton-Proton-Reaktion) sowie den Bethe Weizsäcker-Zyklus (auch CNO-Zyklus, abgeleitet von den dabei beteiligten Elementen Kohlenstoff (C), Stickstoff (N) und Sauerstoff (O)). Dabei ist der pp-Zyklus in unserer Sonne die vorherrschende Energiequelle, nur etwa 1,6 Promille ihrer Energie stammt aus dem CNO-Zyklus.


Die Bildkombination zeigt den Borexino-Detektor in Verbindung mit der Sonne.

Publikation:


M. Agostini, K. Altenmüller […] K. Zuber, G. Zuzel
Experimental evidence of neutrinos produced in the CNO fusion cycle in the Sun
Nature 587, 577–582 (2020)

DOI: 10.1038/s41586-020-2934-0



Das Standard Modell der Sonne (engl. Standard Solar Model, Abk. SSM) sagt jedoch voraus, dass der CNO-Zyklus vermutlich die vorherrschende Reaktion bei wesentlich größeren Sternen ist. Bereits in den 1930er Jahren wurde der Zyklus von den Physikern Hans Bethe und Carl Friedrich von Weizsäcker theoretisch vorhergesagt und daraufhin nach diesen beiden Herren benannt. Während der pp-Zyklus schon 1992 am GALLEX-Experiment, ebenfalls im Gran Sasso Massiv, experimentell nachgewiesen werden konnte, gelang es für den CNO-Zyklus bisher nicht.

Sowohl bei dem pp-Zyklus, als auch bei dem CNO-Zyklus entstehen unzählige Neutrinos - sehr leichte und elektrisch neutrale Elementarteilchen. Die Tatsache, dass Neutrinos kaum mit anderer Materie interagieren, erlaubt es ihnen, das Sonneninnere mit beinahe Lichtgeschwindigkeit zu verlassen und die Information über ihren Ursprung ungehindert zur Erde zu transportieren. Hier müssen die Geisterteilchen dann „nur“ eingefangen werden. Ein aufwändiges Unterfangen, welches nur in einigen wenigen großangelegten Experimenten weltweit möglich ist, denn die Neutrinos zeigen sich nur als kleine Lichtblitze in einem riesigen Tank voll mit einem Gemisch neben Wasser auch noch Mineralöl und anderen Stoffen, auch Szintillator, genannt. Die Auswertung der gemessenen Daten ist vielschichtig und grenzt an das Suchen einer Nadel im Heuhaufen.

Im Vergleich zu allen vorhergegangenen und laufenden solaren Neutrinoexperimenten ist Borexino das erste und einzige Experiment weltweit, welches in der Lage ist, diese verschiedenen Komponenten individuell, in Echtzeit und mit einer hohen Statistik zu messen. In dieser Woche konnte die Borexino-Forschungskollaboration nun einen großen Erfolg vermelden: In der Fachzeitschrift Nature stellen sie ihre Ergebnisse zum ersten experimentellen Nachweis der CNO-Neutrinos vor – ein Meilenstein in der Neutrino-Forschung.

Der Dresdner Physiker Prof. Kai Zuber ist Neutrino-Jäger aus Leidenschaft und arbeitet an vielen verschiedenen Experimenten mit. Unter anderen, war er auch an der SNO-Kollaboration in Kanada beteiligt, die für ihre Entdeckung der Neutrinomasse mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Dass es ihm nun gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Dr. Mikko Meyer und Jan Thurn bei Borexino gelungen ist, die CNO-Neutrinos erstmalig experimentell nachzuweisen, ist für Zuber ein weiterer großer Etappensieg in seiner wissenschaftlichen Laufbahn: „Eigentlich habe ich nun alles erreicht, was ich mir vorgestellt und erhofft habe. An großartige Neuentdeckungen in der solaren Neutrino-Forschung glaube ich zu meinen Lebzeiten nun (fast) nicht mehr. Allerdings würde ich gern an der Optimierung der Experimente weiterarbeiten wobei auch der Felsenkeller Beschleuniger eine extrem wichtige Rolle spielt. Dann können damit in Zukunft noch präzisere Messungen an der Sonne durchgeführt werden.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Technischen Universität Dresden via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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